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Giulio
Romano.
Bis zur 'l'äuschung hatte sich Timoteo die Art Rafaefs
mit der Feder zu zeichnen angeeignet, so dass öfters seine
Federskizzen jenem selbst zugeschrieben werden. Ein geüb-
ter Kenner wird sie indessen an dem geringern Grad der
geistreiehen Behandlung, entschiedener noch in grössern
Compositionen am Mangel innern Gehaltes erkennen, da die
Figuren oft bedeutungslos und nicht in die Handlung eine
greifend erscheinen.
Zufolge der Notiz im Buche der Brüderschaft von
S. Giuseppe zu Urbino starb Timoteo Viti daselbst am 12615
October 1593 Ward er nun, wie Pungileoni annimmt,
im Jahr 1470 geboren, so erreichte er nur das Alter von
53 Jahren. Da bis jetzt die Nachrichten über diesen Maler
etwas verworren waren, und selbst Pungileoni hierüber nicht
gehörig aufklärt, so habe ich im Verlauf dieser Schrift und
namentlich hier über die noch von ihm vorhandenen Werke
mich etwas ausführlicher verbreitet, als es ausserdem nöthig
gewesen wäre.
Giulio Romano, aus der Familie Pippi, ist ohne allen
Vergleich der ausgezeichnetste Schüler Rafaefs. In ihm
lebte ein wahrhaft grossartiger Genius, daher ihn auch sein
Meister wie seinen eigenen Sohn liebte und ihm die Aus-
führung vieler seiner Eiltwürfe übertrug. S0 lange er un-
ter Rafael arbeitete, befolgte er so genau dessen Behand-
lungsweise, dass es bei vielen Gemälden oft schwer fallt,
des Schülers Hand von der des Rafael zu unterscheiden.
Selbst einige Werke, welche er gleich nach dessen Tod
nach eigener Erfindung ausführte, tragen noch sehr des
Meisters Gepräge, obgleich sie weder dessen Einfalt in
der Composition, noch dessen Schönheit in derlzeichnung,
noch dessen Zartheit und tiefe Charakteristik im Ausdruck
besitzen. Überhaupt fehlte ihm Rafaefs Grazie und keu-
scher Sinn. Auch seine Färbung hat nicht den jenem ci-
1) Libro delP origine della Compagnia
seppe da! 1501 etc.: E1 primo Venere de
M" Timotheo de la Vite
Morl il 1523 a dä 10 Ottobre.
da? Fratelli di S. Giu-
Giugno 1523 Visitatori