Rafael? Schüler. 371
den Dienst kunstliebender Fürsten, deren hohe Anforderlui-
gen sie zwar willig anerkannten, gegen die sie aber, im Ge-
fühl ihres persönlichen Werthes, auch ihre Unabhängigkeit
zu behaupten wussten.
Anders gestaltete sich das Verhältniss, in welchem de-
ren Schüler heranwuchsen: Zwar hatte der Enthusiasmus
für KnnSt nicht nachgelassen, wohl aber der Geist sich
geändert, der besonders an den Höfen den Geschmack an
leichten Productionen und am Üppigen begünstigte. Nicht
mehr waren Naturwahrheit und die Tiefe des Gemüths der
Born, aus welchem bei den Kunstbildungen die Ideale er-
Stißgen; sondern man suchte jetzt den Schein des Neuen
und der Meisterschaft, oder vielmehr die Bravour des
schnellen Produzirens, welche den im Rausche der Genuss-
sucht abgestumpften oder verdorbenen Geschmack aufregen,
durch Überreiz befriedigen könnte. Damit schwand denn
auch die in frühern Zeiten durchwaltende Ansicht, dass die
Kunst, wie ein jedes Vermögen des menschlichen Geistes,
im Dienste höherer Zwecke stehen müsse, dass nur, indem
' sie zur Verherrlichung "des öffentlichen, volksthümlichen
_oder religiösen Lebens beiträgt, sie ihre Würde behaupten,
ihren höhern Beruf erfüllen kann. In Folge der überüänd
nehmenden Selbstsucht kam dagegen die Meinung auf,
dass die Kunst um ihrer selbst willen bestehe, das Mit-
tel wurde Zweck und die Ansichten sanken so tief herab,
dass die Kunst nur als ein Genussmittel für Einzelne be-
trachtet wurde. Man überliess" sich nun der Willkür, suchte
die Schönheit nur in neuen Formen, fand den Zweck der
Kunst in der Meisterschaft des Machwerks erfüllt; von
Wahrheit und 'I'iefe der Ideen war nicht mehr die Rede.
S0 entriss man die Kunst ihrer eigentlichen Grundlage, "und
die nun völlig emancipirte Phantasie zog sie nach und nach
zur lügenhaften Manier herab. Die Schüler der grossen
Meister, frühe mit dem Hofleben yertraut und in solcher
Umgebung noch in ihrer Jugendfülle herangebildet, konnten
den Lochungen nicht widerstehen und wurden unaufhaltsam
vom Strudel ergrifen.
Bei den Schülern Rafaefs herrschte zwaäuso lange sie
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