364
Die Förderer
Kunst Rafa el's.
der
weise kennen und gelangte zu tieferer Kenutniss des Gei-
stes, welcher die höhere Bildung jener Zeit bewegte. Zwei
Sterne waren es, Plato und Dante, welche damals in Italien
Aller Blicke auf sich zogen und von unberechenbarer Wirk-
samkeit wareu. Diese übten nun auch, wie wir schon öf-
ters zubemerken Gelegenheit hatten, einen entschiedenen
Einliuss auf Rafael aus. Während Plato ihn lehrte in den
Harmonien des Weltalls das Göttliche, und vom Ursprung
der Dinge ausgehend, das Allgemeine in der vielfach ge-
stalteten Natur zu erkennen, das Wesentliche von dem Zu-
fälligen zu unterscheiden, lernte er von Dante in allem
Äusserlichen auf dessen höhere Bedeutung zu achten, und
wurde durch dessen vielsinnige Dichtungen dazu angeregt,
auch seinen eigenen Werken den tiefsinnigen Charakter des
Symbolischen und Allegorischen zu geben.
So günstig indessen alle diese Umstände auf Rafael
einwirkten, so würden sie doch nicht hingereicht haben
die grossen, herrlichen Werke hervorzurufen, welche wir
nun vonseiner Hand bewundern; er bedurfte hiezu eben
sosehr eines grossgesinntengfiir die Kunst begeisterten, an
pecuiliären Mitteln reichen" Fürsten, der ihm ein weites
Feld zur Entwicklung seiner Kräfte eröffnete, der von sei-
nem schöpferischem Geiste Ungewöhnliches verlangte. Solch
einen Fürsten fand Rafael sowohl in dem mit seinen An-
forderungen an das Talent unersättlichen Papst Julius II,
als in dep in. der Kunst schweigenden Mediceer Papst
Leo X.
Von RafaeFs liebenswürdigem Charakter gab uns schon
der Brief des Coelio Calcagnini ein schönes Zeugniss, in-
dem er darin eben so anspruchslos und bescheiden, als geist-
voll und wohlthätig erscheint. Bei mehreren Gelegenheiten
erwähnten wir auch, wie unermüdlich gefällig er gegen an-
dere Künstler, besonders gegen seine Schüler, denen er
auf jede Weise Vorschub leistete, gewesen. WVelchen Zau-
ber erdadurch auf seine Umgebung ausiibte, bezeugt Va-
sari, indem er voll Bewundriing ausruft: „O du glückliche
und gebenedeite Seele, von welcher jedermann gerne redet,
um dich und deine Handlungen zu erheben. Denn ausser-