Angela
[Vlichel
Rafael.
und
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ist er je IIHClI den Nationen, den Zeiten und den Gebräu-
chen immer verschieden in Bekleidung und Manieren. ln
der Drappirung ist er wundervoll Noch füge
ich hinzu, dass, was die Proportionen des Körpers anbe-
langt (worin das Ilöchste in der Kunst besteht), Rafael im-
mer ein solches Mass beobachtete, dass nichts in dieser
Beziehung zu wünschen übrig bleibt. . Was die Er-
findung (Composition) anbelangt, so ist sie immer so, dass
man sich die Handlung nicht besser und anders vorstellen
kann. lm Colorit, höre ich sagen, dass Rafael alle dieje-
nigen weit hinter sich liess, welche jemals in Rom und
Italien gemalt haben, wie seine Portraite und andere Ge-
mälde hievon Zeugniss geben." Hier verbreitet sich der
Verfasser, im Widerspruch mit dem eben Gesagten, in ein
Lob über 'l'itian's unerreichtes Colorit und über die Stärke
des Ausdrucks in der Gruppe des Laokoon, und fährt dann
fort: „Dieser edle Anstand, die bis ins Kleinste gehende
Beriicksichtiguilg und diese reizende Vollendung der Kunst
finden sich nun in allen Werken RafaePs. Daher sich nicht
zu verwundern, dass er zu seinen Lebzeiten von allen aus-
gezeichneten Personen und allen schönen Geistern, die da-
mals lebten, geliebt und verehrt wurde, so dass, nachdem
er gestorben, er einen grossen Ruf und die Bewundrnng
der ganzen Welt hinterlassen hatte, und jedes Blättchen
und jede Zeichnung von ihm gleich einer Gemme oder wie
Gold geschätzt wird. Dieses sind zum Theil die Ursachen,
weswegen, nach meinem Urtheil, mir die WVerke Ilafaefs
mehr Vergnügen gewähren, als die des Michel Angelo."
Obgleich dieses Urtheil keine tiefe Einsicht in das
Wesen der Kunst verräth, so darf man es doch als das
Echo der damaligen allgemeinen Kunsiansichteil der Gelehr-
ten betrachten, daher ihm hier eine Stelle eingeräumt wor-
den. Vernehmen wir auch noch die Ansichten eines Ma-
lers aus dem 16. Jahrhundert, des Lomazzo welcher von
den sieben Bestandtheilen der Malerei, hier nalnentlich von
Paolo
Lomazzo
del
Idfja
della Pittura.
Tempio
Milans)