Volltext: Rafael Von Urbino Und Sein Vater Giovanni Santi (Erster Theil)

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Rafael 's 
Florent. 
Röm. 
Epoche. 
Dasselbe, lässt sich auch im allgemeinen in seinen hi- 
storischen Darstellungen nachweisen; denn wenn auch Ra- 
fael zuweilen in seinen römischen Bildern, selbst bei heili- 
gen Gegenständen, dem übrigens in der vollendeten Kunst 
unerlässlichen Moment des Sinnlichen eine besondere Be- 
achtung widmete, wie z. B. in der Gestalt der im Vorder- 
grund kniendenPiFrau in der Transliguration, so müssen wir 
dagegen auch eingestehen, dass, wie ergreifend dramatisch 
auch die Handlung, wie sprechend die edeln Charaktere 
dargestellt, wie schön die Umrisse der Zeichnung in einie 
gen seiner Florentiner Werke, z. B. die Grablegung Christi 
im Palast Borghese ausgeführt sind, wir in den Cartons zu 
den Tapeten aus der Apostelgeschichte nicht nur dieselben 
Eigenschaften wiederfinden, sondern selbst einen viel hö- 
hern Grad der Vollendung annehmen: die Anordnung ist 
grossartiger, die Charaktere sind sprechender, wahrer, um- 
fassender, tiefer aus dem menschlichen Gemüthe geschöpft. 
Was aber die Meisterschaft im Praktischen anbelangt, so 
wird wohl niemand behaupten, dass den von Rafael Selbst 
ausgeführten letzten Werken nicht um Vieles der Vorrang 
vor den frühem gebühre. Vergegenwärtigen wir uns hier 
nur die Portraite Leo's X und des Violinspielers, beide um 
1518 gemalt. Wdir müssen daher vielmehr bekennen, dass, 
was RafaeFs jugendliches Talent in zarten Anklängen ahn- 
den liess, der gereifte Künstler in männlichen, vollendete- 
ren Accorden erreichte. Der Zauber einer sehnsuchtsvollen 
Jugend war vorüber, aber in geläuterter Klarheit erstand 
der männliche Genius, dessen Blick und Verstand allumfas- 
send geworden, dessen Gemüth sich in die tiefsten Ge- 
heimnisse des menschlichen Herzens gesenkt hatte, dessen 
meisterliche Hand zur gediegensten Ausführung nur des 
Willens bedurfte. 
Es ist hier meine Absicht nicht, die Vorzüge RafaePs ge- 
genüber denen anderer grossen Meister abzuwägen, da es eben 
so unerspriesslich erscheint, als es unmöglich ist, entge- 
genstehende Eigenthümlichkeiten, von denen die einen noth- 
wendig die alldem aufheben, in einem und demselben 
Künstler vereint zu denken. Indessen bleibt es nicht ohne
	        
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