Volltext: Rafael Von Urbino Und Sein Vater Giovanni Santi (Erster Theil)

Rafael 's 
Eigenschaften. 
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nicht in allen die höchste Idee einer heiligen Jungfrau er- 
kennen, sondern berühren sie zuweilen mehr menschliche 
Saiten, so sprechen sie doch alle ein inneres Leben aus 
und erscheinen im höchsten Grade anmuthreich. Diese fri- 
sche Lebensfiille , diese alles durchdringenden, wahren 
Grundideen in seinen Darstellungen sind es hauptsächlich, 
welche denselben die Macht der Wirkung geben, die in der 
Seele des Beschauers keinen Zweifel gestattet, ihn ganz in 
den umschriebenen Kreis bannt und volle Genüge finden 
lässt. Noch zwei andere Eigenschaften in Rafaefs Dar- 
stellungsweise erhöhen die Befriedigung, die seine Werke ge- 
währen; für's Erste die ungezwungene Symmetrie seiner 
Compositionen, für's Andere die grossartige Vertheilung der 
Licht- und Schattenmassen. Indem erstere das wohlthuende 
Gefühl des Gleichgewichts erregt, erfreut letztere durch 
Ruhe und Ordnung. S0 verstand auch Rafael in einem 
Masse wie kein anderer sowohl dem Ganzen, als den ein- 
zelnen Gruppen seiner Compositionen eine geschlossene und 
gerundete Coniiguration zu geben, welche gleich einer schö-e 
nen Gestalt, harmonisch auf den Sinn wirkt und der Seele 
ein bezauberndes Bild einprägt. Diese schöne Gestaltung 
und die grossartige Beleuchtung sind es dann vorzüglich, 
wodurch die Gemälde Rafaefs sich mehr als die aller an- 
dern grossen Meister für den Kupferstich eignen.  
Wir haben schon oft Gelegenheit gehabt Rafael als 
den Künstler zu bezeichnen, welcher am tiefsten und reich- 
sten die Charaktere dargestellt und dem Ausdruck seiner 
Köpfe, den Bewegungen seiner Gestalten das grösste und 
wahrste Leben verliehen. So haben wir auch schon ge- 
charakteristische Mannigfaltigkeit der Natur, durch welche allein er 
einem grössern WVerk das Vollgewicht lebendigen Inhalts ertheilen 
kann. S0 dachte unter den Stiftern der neuen Kunst. der herrliche 
Leonardo, so der Meister hoher Schönheit Rafael, der sich nicht 
scheute, lieber auch das geringere Mass derselben darzustellen, als 
eintönig, unlebendig und unwirklich zu erscheinen, verstand- er 
gleich nicht nur jene hervorzubringen, sondern sogar ihre Gleich- 
mässigkeit durch die. Verschiedenheit des Ausdrucks wieder Zu 
brechen." 
	        
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