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Der
Saal
Constantivfs.
Nutzen war Leider scheint diese Schrift zu Grunde ge-
gangen zu sein und alle Hoffnungen, diese Reliquie wieder
aufzufinden, müssen wir aufgeben, da wir gar keine weitere
Nachricht darüber besitzen und alle Nachforschungen des-
wegen fruchtlos geblieben sind.
Bis hierher sahen wir Rafael thatkräftig in alle Zweige
der bildenden Kunst eingreifen, wie er bald mit Schöpferi-
schem Geiste nie gesehene Schönheiten ins Dasein ruft, oder
bei anhaltenden Studien ilntergegangene Schätze ans Licht
hebt und zu neuem Leben erweckt; wir sahen, wie er mit
Liebe und Kraft, mit Einfalt, Bescheidenheit und doch in
höchster Fülle des Geistes, wie er bei der grössten Beson-
nenheit und doch voll Begeisterung stets in einer höhern
Welt lebte und wehte, wie er von ungewöhnlicher Gunst
des Glücks begleitet ein Lichtpunkt in einem der edelsten
Wirkungskreise des menschlichen Geistes, eine Freude der
Mit- und Nachwelt geworden. In dieser höchsten Bliithe
begleiten wir ihn zu seinen letzten Werken.
Einen bedeutenden Auftrag erhielt noch Rafael zur
Ausmahmg des grossen Saales, welcher zu den päpstlichen
Zimmern im Vatican führt. Er sollte darin die Begrün-
dung "der sichtbaren Oberherrschaft der Kirche in den be-
deutendsten Begelgnheiten aus dem Leben Constantirfs des
Grossen darstellen. Hiezu hatte er schon einige Entwürfe
und den Carton zur Schlacht Constantims gegen Maxentius
vollendet, (und wollte bei der Ausführung, vielleicht in
Nachahmung des Sebastiano del Piombo 2), oder um seiner
1) Vasari IX p. 129. „Nel che fare mi sono stati come altrove
si e detto, di nou piccolo ajuto gli scritti di Lorenzo Ghiberti, di
Domenico Ghirlandaj e di Raffaello da. Urbino." Wenn Vasari sich
auf eine frühere Stelle bezieht, worin von jenen Schriften die Rede
war, so findet dieses seine Anwendung nur auf die der beiden er-
sten Künstler; von des Rafael Schrift, geschieht nirgends mehr Er-
wähnung. Am wahrscheinlichsten ist, dass Giulio Romano sie besessen.
2) Dieser hatte nach einem Carton des Michel Angele in der
Capelle Borgherini in S. Pietro in Montorio eine Geisslung Christi
in Öl auf die Mauer gemalt, welche grossen Beifall erhielt und noch
verdient.