Volltext: Rafael Von Urbino Und Sein Vater Giovanni Santi (Erster Theil)

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Leo 
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Bericht 
len und Basen und nach dem Masstabe der Verhältnisse 
des Mannes und der Frau. Aber die Deutschen (deren Ge- 
schmack noch an vielen Orten dauert) machten oft als Zier- 
rath eine kleine zusammengekauerte und schlecht gearbei- 
tete Figur zum Tragstein eines Gebälkes, und bizarre Fi- 
guren und 'l'hiere und geschmackloses Laubwerk wider alle 
Ordnung der Natur. Auch hatte ihre Baukunst den Ur- 
Sprung, dass sie von den unbeschnitteilen Bäumen entlehnt 
war, welche, wenn die Äste gebogen und zusammengebun- 
den werden, Spitzbögen bilden. Obgleich nun dieser Ur- 
Sprung nicht ganz verwerflich sein dürfte, so ist er doch 
schwach; denn die Hütten mit cingeklammerten Balken und 
Pfosten gleich den Säulen, mit Decken und Giebeln, wie 
sie Vitruv als den Ursprung der dorischen Ordnung be- 
schreibt, sind weit haltbarer, als die Spitzbögexl, welche 
zwei Mittelpunkte haben. Daher gewährt, nach den Grund- 
sätzen der Mathematik, ein Rundbogen, dessen ganze Linie 
aus einem Mittelpunkte gezogen wird, eine weit bessere 
Stütze als ein Spitzbogen, der ausser seiner Schwäche, auch 
unserm Auge, dem die Vollkommenheit des Zirkels gefällt, 
minder angenehm erscheint; so sieht man auch, dass die 
Natur fast keine andere Form als diese sucht. Aber es ist 
weder nöthig von der römischen Baukunst im Vergleich mit 
der barbarischen zu sprechen, da beide einen so auffallen- 
den Unterschied zeigen, 11och ihre Regeln zu beschreiben, 
da Vitruv von denselben so trefflich geschrieben hat. Es 
gniigt zu wissen, dass die römischen Gebäude bis zur Zeit 
der letzten Kaiser stets nach guten Grundsätzen der Archi- 
tektur aufgeführt wurden, und daher übereinstimmend mit 
den älteren waren; sie lassen sich also ohne Schwierigkeit 
von denen aus der Zeit der Gothen und den noch viele 
Jahre später erbauten leicht unterscheiden; denn beide bil- 
den gleichsam zwei Extreme und einen völligen Gegensatz. 
Auch hat es keine Schwierigkeit, sie von unsern modernen 
Gebäuden, die durch viele Eigenthümlichkeiten und durch 
ihre Neuheit insbesondere sehr kenntlich sind, zu unter- 
scheiden. Nachdem ich also zur Genüge erklärt habe,
	        
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