Bericht
Leo
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nicht minderen Schmerz, wenn ich gleichsam den Leich_
nam jener edeln Vaterstadt, welche der Welt Königin war,
so elend zerrissen und beraubt sehe. Wenn daher die Liebe
zum Vaterlande und zu den Eltern für Jedermanns Pflicht
gehalten werden MUSS, so halte ich mich für verpflichtet,
alle meine geringen Kräfte aufzuwendexi, damit so viel als
möglich ein schwaches Bild und gleichsam der Schatten
jener Stadt am Leben bleibe, die in Wahrheit die Vater-
stadt aller Christen ist, und einst so herrlich und mächtig
war, dass die Menschen bereits zu glauben begannen, sie
sei allein unter dem Himmel über das Schicksal erhaben,
und dem Lauf der Natur entgegen vom Tode befreit und
zu ewiger Dauer bestimmt. Daher scheint es, dass die
Zeit, den Ruhm der Sterblichen beneidend und ihrer Kraft
nicht hinlänglich vertrauend, sich mit dem Schicksal und
mit jenen gottlosen und schändlichen Barbaren verbunden
habe, damit ihr alles zernagender Zahn, von der Wuth je-
ner Bundesgenossen unterstützt, desto grösserc Verheerun-
gen anrichten und mit Feuerf, Schwert und Plünderung das
alte Rom vollends vernichten möge. So wurden jene be-
rühmten Werke, die gegenwärtig mehr als je schön und
blühend wären, durch die schändliche Wuth und die ver-
nichtende Rohheit verruchter Menschen, die vielmehr den
Namen reissender Thiere verdienen, verbrannt und zerstört;
jedoch nicht so, dass nicht noch die Anlage des Ganzen,
aber ohne Zierrathen und so zu sagen, das vom Fleisch
entblösste Gerippe des Körpers ziemlich erhalten blieb.
Aber warum uns über die Gothen und Vandalen und über
andere treulose Feinde beklagen, wenn diejenigen, welche
als Väter und Vormiintler die armseligen Überreste des al-
ten Roms hätten beschützen sollen, seit langer Zeit zu ih-
rer Zerstörlulg beigetragen haben? Wie viele Päpste, hei-
liger Vater, welche die Würde Ew. Heiligkeit, aber "nicht
das Wissen derselben besessen, noch Ihren Geist und die
gleiche Hoheit des Gemiiths, noch jene Huld, die Ihnen
Ähnlichkeit mit Gott erwirbt; wie viele Päpste, sage ich,
haben nicht antike Tempel, Statuen, Bögen und ülldt-TC
herrliche Gebäude zerstören lassen! Wie viele haben nicht