Brief über
das
(antike
Rom.
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styl, den wir romanisch oder byzantinisch nennen, den er
aber als gothisch bezeichnet nach dem Gebrauch der frü-
hern italienischen Schriftsteller, ferner des Spitzbogenstyls,
den er den deutschen nennt, endlich der modernen Bauart.
Ferner beschreibt er sehr umständlich die Art, wie er ver-
mittelst einer Boussole, oder eines mit Magnetnadel und
Diopterlineal versehenen Messinstruments die Gebäude auf-
genommen habe. Der Schluss enthält eine Klage über die
fortdauernde Zerstörung der antiken Monumente und ange-
legentliche Bitte für deren Erhaltung. Dieser Brief, den
der Marchese Scipione Malfei besass, wurde zuerst, als sei
er vom Grafen Castiglione verfasst, durch die Brüder Volpi
in der Ausgabe von dessen Werken zu Padua im Jahr 1733
bekannt gemacht. Allein schon Francesconi hat in einer
besondern Schrift zu beweisen gesucht, dass dieser Brief
nur von Rafael sein könne, was jetzt, als durch innere
Gründe hinlänglich erwiesen, allgemein angenommen wor-
den ist. Wir glauben hier uns auf die Angabe der drei
erheblichsten Gründe beschränken zu können: Erstens sagt
der Verfasser, dass er an elf Jahre in Rom sei, was im
Jahr 1519 vollkommen auf Rafael, in keiner Weise- aber
auf den Grafen Castiglione passt, der nur vorübergehend
und jedesmal nur kurze Zeit in Rom gelebt. Zweitens
zeigt der Verfasser durch die Art, wie er die antiken Ge-
bäude und den Plan Roms aufgenommen, geometrische Kennt-
nisse, wie man sie bei einem praktischen Architekten, kei-
nesweges aber bei einem Hofmann gewärtigen kann. Drit-
tens sagt der Verfasser, dass er diese Arbeit im Auftrag
des Papstes vorgenommen habe, was jedenfalls nur eine
Aufgabe für einen in des Papstes Diensten stehenden Ar-
chitekten oder Geometer war, aber schlechterdings nicht.
für eine diplomatische Person, wie der damals in Verhand-
lungen für den Herzog von Mantua in Rom befindliche
Graf. Obgleich aus diesen Gründen schon sattsam hervor-
1) Congettura che una lettera creduta di Baldassare Castiglione
sia di Raffaello TUrbino, dalP Abate Daniele Erancesconi. Fi-
renze 1799.
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