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Bildniss
Leo
welche mit den grossen Königen die Unsterblichkeit thei-
len, können wohl mit diesen unterhandeln," und gab Be-
fehl, dass das Doppelte der Summe (QILOUÜ Livres Tour-
nois), welche er für den S. Michael gegeben, an Rafael
ausgezahlt werde Zugleich wandte er alles an um den
grossen Künstler an seinen Hof zu ziehen. Leo X indes-
sen wollte wegen des Baues der Peterskirche eben so wenig
seine Einwilligung hiezu geben, als Rafael selbst sich nicht
versucht finden konnte der, wenn gleich höchst ehrenvollen
Einladung Folge zu leisten i).
Wiährend Rafael auf diese Weise seiner Kunst glorrei-
che Anerkennung in dem'Auslande verschaffte, nahm auch
der Papst sie für sich selbst in Anlspruch. Er wollte näm-
lich sein eigenBildniss malen lassen, umgeben von zwei
der ihm liebsten Verwandten, Giulio de, Medici, den er zum
Cardinal von S. Maria in Dominica erhoben hatte (nachmals
Papst Clemens VII) und Lodovico de, Rossi, gleichfalls Neffe
Leo X, der unter einem Dache mit ihm war erzogen wor-
den und ihm in allen Schicksalen des Lebens ein unzer-
treunlicher Gefährte blieb. Rafael, die hohe Bedeutung ei-
nes solchen Auftrags erkennend und beseelt von Dankbar-
keit gegen seinen mächtigen Gönner und Herrn, übertraf
sich selbst in diesem Portraitgemälde, und lieferte ein Werk,
das in jeder Hinsicht als einzig in seiner Art dasteht, Wie
wahr und ungesucht ist hier das Charakteristische behan-
delt, wie lebendig der geistreiche Vortrag, wie grossartig
das Studium der Natur und doch bis ins Einzelste der In-
dividualität eingehend, wie fein in allen Übergängen des
Colorits, wie mächtig, bis zur 'l'äuschung die Wirkung des
1) Siehe
Paris 1642.
Pierre
Dan
Tresor
des
merveilles
de
Fontainebleau.
2) Extrait des diiferents ouvrages publiös sur la vie des pein-
tres par M. P. D. L. F. Paris 1776. I 938. Walpole Anecdotes
of Painting in EnglandI p. 91 will auch, dass'Heinrich VIII, Kö-
nig von England, in Nachahmung des Königs Franz I versucht ha-
be, Rafael und Titian nach London zu ziehen. Er gibt aber keine
Belpge dafür.