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Johanna
Aragoniewz.
Drachen, der sich um sie windet, sie jedoch nicht mit sei-
nem giftigen Hauche zu verletzen vermag. Es ist eine Ge-
stalt vonihimmlischem Adel, die würdig ist dem Erzengel
Michael zur Seite zu stehen. Ferner malte Rafael für den
König in Auftrag des Cardinals Giulio (lerfmiedici das Bild-
niss der Johanna von Aragonien, Gemahlin des Ascanio Co-
louua, Fürsten von Tagliacozzo, welche damals für die grösste
Schönheit in Rom gehalten wurde. König Franz, welcher
die Schönheit der Frauen zu würdigen wusste, wird auch
dieses Bild nach Verdienst geschätzt haben; denn über alle
Beschreibung anmuthig ist die Reinheit des feinen Ovals,
der Liebreiz des Mundes, der Zauber der seelenvollen Au-
gen, die leichtgewölbte, heitere Stirne, begrenzt von der
Fülle der herabhäugenden, blonden Haare. Und mit welchem
Geschmack ist die Bekleidung behandelt! wie schön um-
schliesst der rothsammete IIut das Haupt auf schlaukem
Hals; wie voll umgibt die weite Kleidung gleichen Stoffes
die in das feinste Nesseltuch gehüllten Arme! Ein einzi-
ger Blick auf das herrliche Bild sagt mehr, als selbst die
enthusiastische Beschreibung des Augustinus Niphus in sei-
nem Büchlein „V0m Schönen und von der Liebe." Und
doch muss das Urbild noch bei weitem selbst das reizende
Bildniss überstrahlt haben; denn die Begeisterung, mit wel-
cher die Zeitgenossen die Schönheit der Fürstin bewundert
haben, war allgemein und kann aus vielen Zeugnissen je-
ner Zeit entnommen werden; besonders aber aus der Zu-
schrift des päpstlichen Vicekanzlers und Cardinals Pompe-
jus Colonna an Augustinus Niphus, welche dieser seinem
Büchlein vorangedrilckt. IIier heisst es unter andern: "Dein
Werk vom Schönen und von der Liebe habe ich mit grosser
Sorgfalt durchlesen und mich höchlich darüber erfreut.
Mir konnte nichts angenehmeres, der Nachwelt nichts zu-
träglicheres, dir nichts rühmlicheres begegnen. 'Auf Ehre!
du entwickelst mit den scharfsinnigsten Schlussfolgen, mit
den einleuchtendsten Beweisen das göttlich und menschlich
Schöne und beziehst endlich Alles auf die allerberühmteste
Halbgöttin Johanna von Aragonien, damit auch nicht der
geringste Zweifel übrig bleibe, was unter Göttern und Men-