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Die
Heimsuchung.
Leiden erschöpften Herrn zerren und stossen, haben andere
den Simon von Cyrene herbeigeschleppt, dass er das Kreuz
des Heilandes zum Richtplatz trage, der es denn auch un-
willig von jenes Schultern nimmt. Den Zug begleitet eine
nur um Aufreehthaltung der Ordnung bekümmerte Söldner-
schaar zu Pferde, unter welcher sich auch mehrere von
fanatischer Wuth entbrannte Juden befinden. Dieses mei-
sterhaft und in hohem Grade dramatisch behandelte Ge-
mälde zeigt uns auf eine höchst ergreifende Weise den
Adel der über alle Leiden erhabenen, nur dem Ewigen zu-
gewendeten Seele in dem Ileilande, und das tiefste Mit-
leiden in den Frauen gegenüber dem geiühllosen Stumpf-
sinn der Schergen, der Kälte der Römer und dem verhal-
tenen Grimm der Juden. Über alles aber strahlt die zwar
körperlich den Schmerzen erliegende, aber in hoher geisti-
ger Würde glänzende Gestalt des Heilandes, der in tiefem Er-
barmen die den Juden nahe bevorstehende verhängnissvolle
Zukunft zu verkünden scheint. Das herrliche Werk, so
sollte man fast glauben, wurde auch besondern himmlischen
Schutzes gewürdigt; denn nachdem das Schiff, worauf es
nach Palermo verladen war, gescheitert und die Wannschaft
sammt den übrigen Gütern zu Grunde gegangen, langte al-
lein die Kiste mit der Altartafel wohlbehalten. im Hafen
von Genua an. Dieses Ereigniss, einem Wunder gleich,
erregte hohe Freude in der Stadt und die Nachricht davon
verbreitete sich bald über ganz Italien. Auch zu den Mön-
chen nach Palermo gelangte sie; aber nur mit grosser Mühe
und durch die Verwendung des Papstes gelang es ihnen,
von den Genuesern das wundervolle Werk seiner Bestim-
mung- gemäss für ihre Kirche zu erhalten. Unter der
spanischen Herrschaft wurde es von Philipp IV für die
königliche Capelle in Madrid erworben und befindet sich
jetzt, nach einer Wanderung nach Frankreich, im Madrider
Museum. Durch den Stich von Toschi ist das Bild allge-
mein bekannt.
Ein anderes Altarblatt, der Besuch Mariä bei Elisa-
beth, malte Rafael für die Kirche S. Silvestro vdelf Aquila
in den Abruzzen. Maria, in reiner Schöne, begriisst ju-