Der
Burybrand.
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welche hiilfreich Wasser zur Löschung des Feuers herbei-
tragen und deren Gliederpracht sich durch die vom Wind
stark bewegten Gewänder aufs reizendste durehzeichnet.
Nicht minder wegen ihrer grossen Wahrheit bewundrungs-
würdig ist die Gruppe der sich selbst vergessenden ltlutter,
nur besorgt ihren Säugling gerettet zu wissen, yvährend der
am Hause stehende Vater angstvoll sich emporstreckt, um
in-sicherm Arm seinen Sprössling der Gefahr zu entreisseil.
Eben so der dem Bett unbekleidet entsprungene Jüngling,
welcher sich von hoher Mauer an beiden Armen herablässt
und nach unten schaut, um die Entfernung des Grundes zu
messen, auf den er sich eben fallen lassen will. Es ist
eine herrliche Gestalt voll Fülle und Jugend. Noch leb-
haftere Bewunderung erregte die Gruppe des kräftigen Man-
nes, der von all seiner Habe nur das ihm wertheste, den
alten dem Grabe nahen Vater rettet, während sein junger
Sohn neben ihm herläuft und ein altes Weib, in der Ver-
wirrung säumend, geringen, aber durch Gebrauch lieb ge-
wordenen Ilausrath mit sich schleppt. Rafael fand in die-
sen Darstellungen Gelegenheit, nackte Körper der verschic-
densten Alter mit tiefer Kenntniss und grosser WVahrheit
darzustellen: in dem Vater männliche Kr_aft, in dem Greise
die Erschlaffung des Alters, im Knaben die Anmuth der
Jugend. Es ist schon öfters bemerkt worden, dass Rafael
bei diesen Figuren mit Michel Angelo in die Schranken ge-
treten sei, und bei dem hiernach angestellten Vergleich wurde
stets zu Gunsten des Letztern entschieden, indem dessen
Zeichnung und Modellirung des Nackten mit tiefer ins Le-
ben eingehender Wissenschaft behandelt sei, so dass in den
vollen UmrisQ-n und in jeder einzelnen Faser die vollste Le-
bensthätigkeit wirksam zu sein scheine. Wenn wir nun auch
diesem Ausspruch beistimmen, so müssen wir dagegen bei
Rafael einen andern Vorzug anerkennen: nämlich das Na-
turgetreuc und Charakteristische seiner Formen, welches
an den hier dargestellten vier verschiedenen Altern des
Mannes schon erwähnt wurde. Diese Eigenschaft suchen
"All" Vergeblich bei Michel Angelo, der zarte Bildungen ver-
schmähte, überhaupt nur einem individuellen, aber grossar-