Die h.
Caecilia.
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stes, während ihm zur Seite, gleichsam ergänzend, Johan-
nes der Evangelist ganz in göttlicher Liebe aufgelöst .zu
sein scheint. Dem heiligen Paulus steht Magdalena mit
der Salbenbüchse gegenüber, andeutend, dass ebemvic des
Apostels früheres VVüthen gegen die Gemeinde des Ilerrn,
um seiner aufrichtigen Reue und seiner unermüdeten Arbeit
im Weinberge des Ilerrn willen (Vergebung gefunden, so
auch der Maria Magdalena um ihrer hingebenden grossen
Liebe willen, viele Sünden vergeben wurden. Wie aber
der durch göttliche Begeisterung bekehrte Paulus neben
dem innig liebenden Johannes, so hier neben Magdalena
der ebenfalls auf wunderbare Weise zum Glauben an Chri-
stus bekehrte h. Augustinns. S0 herrlich indessen auch
diese Gestalten sind, so ülierstrahlt sie im Bilde doch alle
die heilige Cäcilia, die in himmlischem Entzücken über die
ewigen Ilarmonien, welche ihr aus den Regionen der Engel
entgegentöuen, den Blick begeistert nach oben richtet, und
selbst ihre Orgel den Iländen entfallen lässt, während die
andern Instrumente für weltliche Musik schon länger ver-
nachlässigt zur Erde liegen. Die Schönheit der Formen und
die Tiefe des Ausdrucks sind es aber nicht allein, welche
dem Bild eine so hohe Stelle unter den herrlichsten Kunst-
werken anweisen, auch die poetisch gesteigerte, harmoni-
sche Färbung verdient in gleichem Masse unsere höchste
Anerkennung. Denn auf wunderbare Weise ruft sie eine
Stimmung hervor, wie wir sie bei einem von himmlischem-
Feuer durchgliihten Verein heiliger Seelen empfinden wür-
den. In dieser, ich möchte sagen, rein göttlichen Art hat
nie ein Colorist etwas vergleichbares geleistet: 'l'itian's Him-
melfahrt Mariä in der Akademie zu Venedig stimmt zu ho-
hem Jubelsang; des Coreggio Meisterwerke, wie der
h. Sebastian in Dresden und der h. Ilieronymus in Parma
zu reicher Frcudigkeit, aber nur Rafaefs h. Cäcilia erhebt
zu göttlichem Glühen. Ist je in einem Kunstwerk eine ver-
klärte Menschheit dargestellt worden, so ist es in diesem
Bilde! Es zeigt uns das hohe Urbild des Menschen, un-
berührt Von Leidenschaften und dem Elende des irdischen
Lebens in himmlischer Seligkeit ruhend. Es weckt in un-