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Bilfaefs
Geliebte.
der liebenswiirdigsteu lilenschen, bis zu seinem Lebensende
mit einem weiblichen Wesen hätte verbunden bleiben Rom
nen, welches aller geistigen Grazie ermangelt hätte, und
durch das Leben mit dem herrlichen Mann nicht auch durch
dessen Geist berührt, zu edlerem Leben wäre emporgeho-
ben worden. Das reizende Portrait entstand, der Behand-
lungsweise nach zu schliessen, erst in der letzten Lebens-
epoehe llafaeYs, und ist selbst nicht ganz von ihm vollen-
det. Denn so geistvoll und meisterhaft auch der Kopf, so
schön das den Busen bedeckende Linnen und der weite
damastene Ermel behandelt sind, so schiilerhaft sind dage-
gen die Hände und der übrige Theil des Bildes ausgeführt.
Es wird daher sehr wahrscheinlich, dass Rafael dasselbe
unvollendet hinterlassen, und erst nach seinem Tode die
nur untermalten Theile iibermalt wurden. Tafel VI zeigt
eine Abbildung davon.
Gerne möchte ich nun im Stande sein einige nähere
Auskunft über die Beglückte selbst geben zu können, wel-
che in der Geschichte stets RafaePs Namen begleiten wird.
Man hat ihr den Namen Fornarina gegeben, und dürften
wir dem Misserini Glauben beimessen, so wäre sie die
Tochter eines Sodabrenners gewesen, welcher über dem
'l'iberfluss bei S. Cecilia wohnte. Noch zeigt man ein Häus-
chen mit einer schönen alterthiimlicheil Fenstereinfassung
von gebrannter Erde in der Strasse S. Dorotea No. 20, als
ihr Geburtshaus. Dazu soll ehedem ein kleiner Garten ge-
hört haben, in den man über eine niedere Mauer hinein-
sehen konnte, und in welchem das liebliche Mädchen oft
verweilt habe. Ihre Schönheit sei daher bald ins Gerede
gekommen und die jungen Leute, besonders die Zöglinge
der Kunst, stets leidenschaftliche Freunde des Schönen,
hätten sich im Vorbeigehen oft an der Mauer auf die Ze-
hen gestellt, das herrliche Mädchen zu sehen. Auch Ra-
fael, den begeisterten Verehrer der Schönen, habe ihr Ruf
hingelockt, und da er das Mädchen grade belauscht habe,
wie sie an einem im Garten springenden Wasser die Füsse
IVL
an R.
Miiserini
bei Longhena p.
Arrigoni
657.