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Fra
Rafael und
Burtolonzeo.
dem Charakter des Kopfes eine Stärke und dem ganzen
Werke eine Entschiedenheit verlieh, wie wir sie nie in den
Arbeiten von Fra Bartolomeo finden. Als Rafael grade mit
der Vollendung dieser Bilder beschäftigt war, besuchten
ihn zwei Cardinäle, mit denen er auf sehr vertrautem Fusse
stand. Diese hatten sich nun verabredet, um Rafael zum
Widerspruch" zu bringen, die Figuren auf jenen Bildern in
seiner Gegenwart zu tadeln. Sie behaupteten daher, die
Köpfe der Apostel seien zu roth. Rafael, theils weil er
die Ehre seines Freundes angegriffen sah, theils, weil er
die Verabredung merkte und ihnen mit derselben Münze
dienen wollte, erwiderte schnell: „Wundert euch (lessen
nicht, meine verehrten IIerren, ich habe dieses mit grosser
Überlegung get-han, denn man muss vcrmulhen, dass die
heiligen Petrus und Paulus im Himmel eben so stark, als
hier auf dem Bilde erröthen, aus Scham, dass ihre Kirche
von solchen Leuten, wie ihr seid, regiert wird
Aber nicht allein solche Kilnstgenossen, welche Rafaefs
und llilichel Angelds Werke zu bewundern nach Rom ka-
men, sind hier zu erwähnen; auch des Altmeisters Leo-
nardo da Vinei müssen wir gedenken, der, nach einer ei-
genhändigen Notiz desselben i), sich am Q4. September
1513 von Mailand aufmachte, und würdig umgeben von
seinen Schülern Gio. Boltratlio, Francesco Melzi, Salai, Lo-
renzo und Fanfqia, den Weg nach Rom einschlug, um
noch einmal mit Miehel Angelo in die Schranken zu treten
und zu sehen, ob der Ruf, welchen der liebliche Rafael er-
rungen, sich dem seinen zur Seite stellen diirfe. Die Um-
stände auf der Reise schienen ihm günstig, denn er traf
1) Diese Anekdote berichtet Graf Castiglione im Cortegiano I
p. 213. Zwar ist nicht dabei gesagt, dass die Bilder der Apostel
die von Fru Bartololneo angefqngenen waren; da indessen Rafael
diese Apostel nur diesmal für sich bestehend ausführte, das Colu-
yit des Fra Bartolomeo auch etwas ins Rothe geht, so scheinen nur
diese damit gemeint zu sein.
2) Codex B aus der Ambrosialmischen Bibliothek, jetzt in der
Bibliothek des heaux Arts in Paris. Es ist noch zweifelhaft, ob es
im Jahr 1513 oder 1514 war, dass Leonardo nach Rom kam.