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Die
[Hesse
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Balsam.
sammentriift, welches in den beiden zuletzt erwähnten, in
der Art des Giorgione gemalten Portraiten sich bemerklich
macht. Es scheint daher, dass er die tiefe Färbung dieses
Meisters auch auf die Frescomalerei anzuwenden suchte.
Die meisterhafte Behandlung ist zwar weniger streng in den
Einzelheiten der Zeichnung als in den Gemälden des er-
sten Zimmers, aber grandioser in den Hauptformen; brei-
{er im Auftrag der Farben; massenhafter in der allgemei-
nen Anordnung: der malerische Styl erhält hier zum ersten-
mal bei Rafael die Überhand. Dabei aber ist das innere
Leben, sind die Charaktere mit einer solchen Wahrheit und
Meisterschaft behandelt und das Dramatische des Ilergangs
ist auf solche Weise hervorgehoben, dass mit Recht dieses
Gemälde zu allen Zeiten die höchste Bewunderung erregte.
Rafaefs hoher Genius offenbart sich auch noch besonders
in der Gruppe des Heliodor, worin die stärksten Alfecte
dargestellt sind, ohne dass dadurch der Schönheit Eintrag
geschähe. Hier ist der für die bildende Kunst wichtige
Grundsatz meisterhaft in Anwendung gebracht, welchen
Sbhelling in xiachfolgender Stelle ausgesprochen hatä
„Der Leidenschaft ist eine positive Kraft entgegenzusetzeil;
denn wie die 'l'ugend nicht in der Abwesenheit der Lei-
denschaften, sondern in der Gewalt des Geistes über sie
besteht: so wird. Schönheit nicht bewährt durch Entfernung
oder Verminderung derselben, sondern durch die Gewalt
der Schönheit iiber sie."
In dem "Bilde des Heliodor stellte Rafael den göttli-
chen Schutz dar, welcher der Kirche in ihren äussern
Verhältnissen zu Theil wird; in dem darauf folgenden, der
Meqge von Bolsena, den wunderbaren Beistand innerhalb
der Kirche selbst gegen die Bezweifler ihrer heiligen My-
sterien. Die, hier dargestellte Begebenheit ist aber folgen-
de: ES S011 Sich im Jahr 1263 unter dem Pontiticat Ur-
ban IV ereignet haben, dass, als ein an der Transsub-
stantiation zweifelnder Priester in der Kirche der h. Chri-
stina zu Bolsena die Messe las, aus der von ihm geweih-
Über
der Natur.
das Verhältniss der bildenden Künste zu