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Zzoei Portraite.
der gewandte, alles Vorzügliche in sich aufnehmende Meister
selbst die seiner Tendenz ferner stehenden Eigenschaften
grosser Künstler sich anzueigilen wusste. WVir meinen hier
das köstliche Bildniss in der 'l'ribune zu Florenz, irrig als
Iiafaefs Geliebte ausgegeben, und das des Binde Altoviti,
nun im Besitz des Königs Ludwig von Baiern, Wenn nun
auch Rafael in seinen Portraiten mehr als sonst sich durch
eine kräftige oder doch wahre Färbung auszeichnete, so stei-
gert sich doch in ebengenaimten das Colorit zu einer 'l'iefe,
wie bis dahin nur Giorgione. sie erreicht. Es ist daher
schon öfters ausgesprochen worden, dass das Frauenbildniss
vom Jahr 1512 von letzterem sein müsse, ohne dass man
dabei beachtete, dass Giorgione schon das Jahr zuvor gestorben
war, dass die Zeichnung und der sich darin ausspreehende
Geist ganz Rafaelisch sind. Der Einfluss des Giorgione ist
indessen unverkennbar und kann auf Rafael, der ihn zwar
persönlich nie kennen lernen konnte, leicht durch nach Rom
gekommene Portraite von ihm statt gefunden haben. Die-
ses wird um so wahrscheinlicher, als Sebastiano del Piombo,
einer der besten Schüler des Venetianers, grade" ums Jahr
1511 durch. Agostino Chigi nach Rom berufen wurde, um
in seinem Hause ebensowohl (lurch sein malerisches, als
durch sein musikalisches Talent Heiterkeit zu verbreiten.
Dort musste er auch dem Rafael, der, wie wir wissen, spä-
testens schon seit 1510 mit Agostino Chigi in freundlicher
Verbindung stand, nothwendiger Weise bekannt werden.
Über die Personen, welche jene Portraite vorstellen,
ist vielfach hin- und hergestritteil worden, daher hier eine
kurze Erläuterung stehe, indem ich wegen der ausführ-
lichern Angaben auf das Verzeichniss der Werke Rafaefs
unter N0. 95 und 96 verweise. Das schöne, wahrhaft ent-
zückende Frauenbiltiniss von südlicher Füile und Gluth in
Geist und Formen erhielt um die Mitte des verflossenen
Jahrhunderts den Namen der Geliebten Rafaefs, der For-
narina, und wurde als solche von Rafael Morghen in Kupfer
gestochen. Beide Angaben sind indessen irrig, wie wir
später bei Gelegenheit des wirklichen Bildnisses der Gelieb-
ten Rafaefs ersehen werden. Wen stellt nun aber unser