Brief an
Rafacfs
Harze-in.
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Die zweite schien, zu mehr als Worten winkend.
Aufs neu erlag, in Gluthen untersinkend,
Ich meiner Qual, denn wo der Mensch sich miihet
Zu reden, stirbt die bessre Kraft im Worte.
Aus der ersten Zeit von Rafaefs Aufenthalt in Rom
ist noch manches nachzuholen, was bis jetzt, um nicht un-
nöthig zu unterbrechen, verspart bleiben musste. Zuför-
derst stehe hier der Brief, welchen Rafael wenige Monate
nach seiner Ankunft in Rom an Francesco Francia richtete,
dessen Bekanntmachung wir dem Grafen Malvasia verdanken
und der folgendermassen lautet:
Mein wcrther Herr Francesco.
Soeben empfange ich euer Bildniss, welches mir Baz-
zotto wohlerhalfen und ohne irgend eine Verletzung zuge-
stellt l1at. Ich danke euch auf's verbindlichste dafür. Es ist
ausserorrleutlich schön und so lebendig, dass es mich täuscht
und ich mich bei euch glaube und euere Stimme zu hören ver-
rneiue. Ich bitte euch Geduld mit mir haben und mir zu ver-
zeihen, dass ich so lange säume, euch das meinige zu sen-
den, allein die bedeutenden und unablässigen Beschäftigun-
gen haben es mir bis jetzt noch nicht gestattet, dasselbe
eigenhändig auszuführen, wie wir übereingekommen sind;
ich hätte es zwar von einem meiner Gehiilfen malen las-
Sen, und dann die letzte Hand daran legen können, aber
das geht nicht an. Im Gegentheil soll man wissen, dass
ich das eurige zu erreichen nicht im Stande bin. Habt
Nachsicht mit mir, ich bitte euch, denn ihr werdet es auch
schon erfahren haben, was das heisst, seiner Freiheit be-
raubt und IIerren verbunden zu leben, die dann u. s. w.
Unterclessen sende ich euch durch denselben, welcher in
sechs Tagen zurückkehrt, eine andere Zeichnung, nämlich
1) Bemerkenswerth ist es, dass Rafael damals schon Gehülfen,
Schüler gehabt; vielleicht hatte er sle aus Florenz mitgebracht,
z. B. den Florentiner Gio. Francesco Penui, il Fattore genannt,
welcher zu RafaePs frühsten Schülern gehörte.