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Rafäze? s
Sonette.
am Tiefsinnigen den zur Anschauung des Erhabeneil ge-
neigten Freunden der Kunst entziehen zu wollen!
Während Rafael bei jenen grossartigen Arbeiten seinen
Geist in die ernstcsten Betrachtungen versenkte und seiner
schöpferischen Kraft nach dieser Seite hin das schönste Wirken
eröffnet war, erfüllte sein Herz andrerseits ein gleicher
Drang. Damals in der schönsten jugendlichen Blüthe und
glücklicher Hoffnungen voll, ergoss er in productiver Fülle
seine aufgeregten Gefühle in Liebeslieder, deren Gegen-
stand eine Geliebte ist, zu welcher er bald nach seiner
Ankunft in Rom eine so starke Neigung fasste, dass sie
erst mit dem Ende seines Lebens erlosch. Zeugniss dieser
auiiodernden Liebe gibt uns der Inhalt dreier noch erhal-
tener Entwürfe zu Sonetten, die sich auf verschiedenen
Zeichnungen oder Studien zu dem Wandgemälde der Theo-
logie befinden und von Rafael eigenhändig geschrieben sind.
Poetisch betrachtet haben diese liebestrunkeilen Ergüsse kei-
nen besondern Werth und sprachlich lassen sie viel zu
wünschen übrig, wie dieses im Anhang VII nachgesehen
werden kann, wo die drei Sonette nach den Originaltexten
abgedruckt sind. Indessen fehlt es ihnen nicht an einer
gewissen Anmuth, weswegen hier als Probe eine Ver-
deutschung des im Britischen Museum aufbewahrten S0-
netts nicht unwillkommen erscheinen wird.
Erinnrung ist so süss, und froh hethöre
Ich mich; drauf wächst der Trenpung herbes Bangen,
Mir wird, wie wer im Meer, von Sturm umfangen,
Den Stern verlor, wenn ich die Wahrheit höre.
Sovspreng, o Zunge, deiner Fessel Schwere,
Zu klagen, wie mich Amor hintergangen,
Der ungewöhnlich tilckisch mich gefangen;
Doch mehr sei Dank ihm, und ihr Preis und
Ehre
war's, seitdem verglühet
als hell an trautem Orte
Die sechste Stunde
War eine Sonrf,
Von E.
1820.
1)
Berlin,
Tölken
Rede
der
bei
RafaePs.
Gedächtnissfeier