Einfluss
das
Michel
ßingclo.
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gesetzter Richtung stand, so folgt natürlich daraus, dass,
wenn jener etwas von Miehel Angelo angenommen, dieses
nur ein einzelner Theil der vielseitigen Vorzüge WYIIH Wo"
mit Rafael Seinen Geist bereicherte, und diese Erwerbung"
selbst sich nach seiner Individualität umwamlelll musste.
Auch verdankt er seinen wahrhaften Ruhm nirgendwie der
Nachahmung seines Nebenbuhlers, wie denn u. a. das Bild
des Propheten Jesaias in der Kirche S. Agostino, in dem
die Art des Michel Angelo am entschiedensten hervortritt,
keinesweges als eins der gelungnern Werke llataeks jetzt
mehr betrachtet wird. Dieser Einfluss auf Rafael erscheint
indessen erst, nachdem derselbe den zuerst vollendeten Theil
der Deckenmalerei in der Sixtinischeil Capelle gesehen hatte,
was mit den letzten Arbeiten llafaefs in dem Zimmer della.
Segnatura zusamlnenfällt I); denn obgleich dieser schon des
Michel Angele Carton in Florenz gesehen hatte, so bemer-
ken wir doch in seinen Werken jener Zeit nicht den ge-
ringsten Anklang an jenes Darstellungsweise, was vielleicht
dem Umstande zuzuschreiben ist, dass der grosse Floren-
tiner sowohl IiafaePs Meister Perugino, als auch dessen
Freunde Francia mit Verachtung begegnet war, was natiir-
licherweise eine Abneigung gegen Michel Angeln bewirken
musste. In Rom indessen, wo RafaeFs edler Geist in gross-
artigern Umgebungen auch eine grossartigere Richtung nahm,
konnte er sich der vollen Anerkennung des mächtigen Ge-
nius nicht länger mehr entziehen. Als er daher, entweder
wie Vasari berichtet, noch vor allen andern von Bramante
in die Capelle Sixtina heimlich eingelassen wurde, oder als
er mit dem Publicum der zur Hälfte vollendeten Decke an-
sichtig wurde, machten diese Werke des Wichel Angelo einen
mächtigen Eindruck auf ihn und erölfneten ihm einen tie-
fern Blick in das erhabene Ziel der Kunst. Zur Unter-
1) Dass auf die Christtage von 1512 die Capelle Sixtilna noch
nicht von den Gerüsten des Michel Angelo befreit war, ergibt sich
RUS dem Diario des Paris de Grassis, worin aufgezeichnet ist: 1512.
I" Vißma N Pontifex voluit vesperis interesse in Cappella Six-
tina - Süd quia nun erat ubi possenxus ponere thalamum et so-
lium ejus, dixit, ut illud facerem ego modo meo.