Sal0mon's
Urtheil.
Die
Gizreciztiykeit.
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nicht nach dem geschriebenen Gesetz erlassen wurde, son-
dern als ein aus der Kenntniss der Leidenschaften und
Triebe geschöpftes, man könnte fast sagen" philosophisches
Urtheil anzusehen ist.
Die allegorische Figur der Gerechtigkeit dient zur
Überschrift dem der Rechtswissenschaft gewidmeten Ge-
mälde. Ihr Haupt ist mit einer Krone geschmückt, in
den Händen hält sie die gewöhnlichen Attribute, das Schwert
und die NVage. Vier kleine Genien umgeben sie und hal-
ten die Inschrift: ,-,Jedem sein Recht ertheilend." (Jus
suum unicuique tribuens).
Die darunter beiindliche Wand hat gleich der, worauf der
Parnass gemalt ist, ein Fenster in der Mitte. Rafael theilte
daher den Raum in drei Theile, nämlich in einen flachen
Bogen über dem Fenster und in zwei Nebenfelder zu den
Seiten desselben. Die Lunette enthält drei allegorische Fi-
guren: die Stärke, die Vorsicht und die Mässigung, welche
mit der darüber betindlichen der Gerechtigkeit die vier Car-
dinaltugenden darstellen, ohne welche alle Rechtspflege un-
zulänglich ist. In der schönen, durch den Stich von
Rafael Morghen wohlbckannten Composition ist besonders
sinnreich die Vorsicht oder Klugheit in der mittleren Figur
bezeichnet: Zukunft und Vergangenheit zugleich durch-
schanend hat sie ein jugendlich weibliches Gesicht, und
wie Janus, auch das eines Alten. Ihre Brust deckt die
Aegis mit dem Medusenhailpt, wie bei der Göttin der
Weisheit, und ein Genius hält ihrem jugendlichen Gesicht
den Spiegel der Selbsterkenntniss vor, während ein ande-
rer dem Alten eine Fackel, als Licht zur Erkenntuiss der
Welt. Die Stärke, gepanzert, hält einen Zweig des Frie-
dens und die Mässigilng einen Zügel, um die Strenge der
Gerechtigkeit in den Schranken des Billigen zu halten.
l Die unter dieser allegorischen Darstellung befindlichen
Gemälde beziehen sich auf die Sicherung der Rechtspflege
durch Justinian und Gregor IX, die Sammler und Ordner,
dieser der kirchlichen, jener der altrömischen, weltlichen
Gesetze- In dem Bilde zur linken Seite sitzt der Kaiser
im Purpurmantel, mit Lorbeern gekrönt, dem vor ihm
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