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Die
Schule
Athen.
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Im vordem halb entblössten, mit Schriften herbeiei-
lenden Manne könnte Diagoras von Melos, der Freigelassene
und Schüler des Demokrit, dargestellt sein. Er wirdzu den
Sophisten gerechnet und musste wegen seines berüchtigten
Atheismus Athen verlassen. Die beiden andern bei Diago-
goras stehenden Sophisten sind wohl Gorgias aus Leontium,
Schüler des Empedokles, und Kritas aus lAthen, der den
Ursprung der Religion aus der Politik ableitete und sich
als ein beständiger Gegner des Sokrates erwies.
Gegen diese herzlosen und geldsiichtigeil Sophisten trat
Sizktnlßäsaus Athen (470 Jahre vor Christus geboren), einer
der ehrwiirdigsten Weisen und sittlich edelsten Menschen,
in die Schranken und bekämpfte sie zugleich durch seinen
graden Sinn, seine Ironie und seine aus dem reinsten Ge-
fühl und dem sonnenlichten Verstand geschöpfte Weisheit.
Der Inhalt seiner aufs Praktische und Religiöse gerichteten
Lehren lässt sich in die Worte fassen: „ Religion ist Ver-
ehrung Gottes durch Rechtthun. Der höchste Gott ist ein
unsichtbares Vernunftwesen, Urheber aller Ordnung, all-
mächtig, und ein gerechter Belohncr der Tugend und Be-
strafer des Lasters. Die Seele ist ein Gott ähnliches We-
sen. Sie nähert sich Gott durch die Vernunft und ihr un-
sichtbares Wirken und ist daher auch unsterblich. " Diese
seine Lehren trug er öffentlich vor, und führte die Philosophie
von der Speculation ins praktische Leben ein, oder, wie Cicero
sagt, „v0m Himmel in die Wohnungen der Menschen." Auch
sehen wir ihn hier vor dem gemischtesten Publicum leh-
rend und wie er einen Schluss nach dem andern folgerecht
an den Fingern abzählt, bis zum schlagenden Punkte, wo-
durch er seine qluhiirer unwiderstehlich zu den unerwar-
tetsten Zugeständnissen zwang. Der vordere vor ihm ste-
hende junge Mann in kriegerischer Rüstung stellt den schö-
nen Alcilliades vor, der, obgleich vielfach allem Sittlichen
IIohn sprechend, dennoch mächtig von den Lehren des
Weisen angezogen wprde. Nach ihm, sehr aufmerksam
auf Sokrates horchend, steht, Seiner Bekleidung
nach zu nrtheilen, ein dem Gewerbstaml angehöriger Bür-
ger, wie denn der erhabene Weise am liebsten seine Rede