Das
Bild
der
Theologie.
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tura, in einem Buche lesend, und auf der vordern Stufe Papst
lnnocenz III im Profil gesehn, seine Schrift über die Messe
in der Linken haltend. Unter den hintern Figuren rechts
erkennt man Dante den grössten christlichen Dichter, mit
Lorbeer bekränzt, und Fra Girolamo Savanorola, den hef-
tigen Sittenprediger in Florenz, der auf Anstiften Alexan-
der VI als Ketzer hingerichtet, aber unter Julius II ge-
würdigt worden im päpstlichen Palast unter den ausge-
zeichnetesten 'l'l1eol0gen der Kirche dargestellt zu werden.
Ganz im Vordergrunde steht ein nach Weise antiker Phi-
losophen gekleideter Mann, der, wie es scheint, einen noch
ganz nach aussen gewendeten, nur neugierig zuschauenden
jungen Heiden auf den Jüngling verweist, welcher, ein
wahres Bild des Gehorsams, das vom heiligen Augustin ihm
Dictirte niederschreibt.
Haben wir auf dieser Seite die Kirchenväter nur von
hochgestellten christlichen 'I'heologen und dem Altar ganz
oder doch halb zugewendeten Männern umgebenigesehen, so
hat Rafael dagegen auf der linken Seite die christlichen
Gemeinden im allgemeinen und selbst mit ihren Häresien
dargestellt. Hinter den Kirchenvätern, und dem Altar zu-
gewendet stehen zwei Bischöfe, deren Gesichtbildungen
von so bestimmter Individualität sind, dass man sie für Por-
traite zu halten sich genöthigt findet, und wahrscheinlich
als Repräsentanten zweier bestimmten Gemeinden anzusehen
sind. Der zunächst dem h. Gregor stehende, vom Rücken
gesehene Mann scheint ein Gelehrter, der gablassend von
seinen eigenen Meinungen, die als zwei Bücher zu seinen
Füssen liegen, sich dem Altar und den Kirchenlehrern zu-
wendet. Endlich spricht sich völlig hingebender Glauben
in den drei Jiinglingen aus, welche vordem heiligen Sa-
cramente die Knie beugen; sie deuten auf die gläubige Ver-
1) Schon vor Rafael hatte ihn Benozzo Gozzoli in dem überaus
schön von ihm ausgemalten Chor der Franciscanerkirche zu Monte
Falco mit der Unterschrift vorgestellt: "Thedlogus Dantes nulliuS
docmatis expers." Mit ihm theilen dort. noch den Ehrenplatz:
„Laureatus Petrarca omnium virtutum monarca," und „Pict0rum
eximius Jottus (Giotto) fundamentum et lu-x."