Die
Figur
der
Theologie.
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übertroffen und er erkannte in so hohem Grade die Fülle
von Rafaefs Genie, dass er sogleich beschloss alle seine
Zimmer von ihm ausmalen zu lassen und befahl, dass alle
darin ausgeführte frühere Malereien, so wie auch die Decke
des Ziimners della Segnatura herabgeschlagen würden. Ra-
fael aber, in Betracht der schönen Eintheilungen und der
reichen Verzierungen der Decke, fand für gut nur die acht
grössern Felder zu neuen Darstellungen zu benutzen, dage-
gen die kleinern Zwischenbilder mit mythologischen Gegen-
ständen, so wie das Mittelbild mit des Papstes Wappen
von einigen Genien gehalten stehen zu lassen.
Die vier grossen Runde im Kreuzgewölbe verwendete
nun Rafael zu allegorischen Figuren, die gleichsam den
grössern Wandbildern" der Theologie, Philosophie, Poesie
und Jurisprudenz als Überschriften dienen, während er die
oblongen Felder in den Ecken der Decke als Übergangs-
bilder benutzte, das heisst, solche Gegenstände in ihnen
darstellte, welche in einer zweifachen Beziehung zu den
zwischen ihnen befindlichen Hauptbilderil stehen Die
sämmtlichen Bilder an der Decke sind auf einem mosaik-
ähnlichen Goldgrund gemalt.
Bei der Beschreibung dieses Zimmers della Segnatura
beginnen wir mit der als Überschrift dienenden allegori-
schen Figur der Theologie. Sie sitzt anmuthsvoll auf Wol-
ken und hält in der Linken ein Buch, während sie mit der
Rechten nach dem Himmel auf dem unter ihr befindlichen
Gemälde hinzudeuten scheint. Ihr mit einem weissen Schleier
umhülltes Haupt ist, wie das der Beatrice bei Dante, mit
einem Olivenkranz gekrönt, ihr Unterkleid roth, der Man-
tel griin, Farben, welche die theologischen Tugenden, Liebe
und Holfnung im Glauben, bezeichnen; zwei Engelknaben,
oder Genien zu ihren Seiten halten Tafeln mit den Wor-
ten: „Die Kunde der göttlichen Dinge." (Divinarum rerum
notitia.)
1) Auf: dies?" Zweifllchen Bezug aufmerksam geworden zu sein,
verdanke ach emer freundschaftlichen Mittheilung des Professors
Mosler in Düsseldorf.