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Seynatzzrcz.
im Bild der Theologie anzubringendeil Personen befragt
unzweifelhaft hervorgeht, so waren doch grade damals, bei
der Ankunft RafaePs in Rom, seine gelehrten Freunde nicht
zugegen: Graf Baldassare Castiglione kam etwas später,
Pietro Bembo erst im April 1510 und auf kurze Zeit nach
dieser Stadt; auch Bernardino Divizio da Bibiena befand
sich damals noch am Hof von Urbino. Rafael war also in
dieser entscheidenden Zeit ziemlich sich selbst überlassen,
wodurch wir in der Überzeugung bestärkt werden, dass nur
seinem grossen Genius und seinem richtigen Gefühl des
Angemesseneu, das ihn vor allen andern Künstlern so be-
wunderungswürdig bei seinen Werken leitete, die Idee so-
wohl, wie die Ausführung jener herrlichen Wandgemälde
darf zugeschrieben werden. Um das Zimmer della Segna-
tura nach den darin dargestellten allegorisch-symb0lisehen
Gegenständen mit einem Wort zu bezeichnen, so könnte
man es das der Facultäten nennen. Denn in ihm ist nach
vier Richtungen, durch Theologie, Philosophie, Poesie und
Jurisprudenz der Umfang aller Wissenschaft und Erkennt-
niss des Menschen dargestellt, wodurch er Aufschluss über
sein Verhältniss zu Gott und der Schöpfung, über sich
selbst und über die gesetzlichen Einrichtungen erhält. Erwä-
gen wir nun, dass diese Ausschmückung in einer Räumlichkeit
angebracht wurde, in welcher das Oberhaupt der christka-
tholisehen Kirche die Anordnungen unterzeichnete, die ihrer
Bestimmung nach die allseitige, geistige Förderung der
Heerde Christi auf Erden bezweckte, so müssen wir in der
That die Wahl jener tiefsinnigen, das Allgemeine umfas-
senden Gegenstände als die der Verherrlichung eines sol-
chen Ortes angemessenste preisend anerkennen.
War nun der Papst durch den Plan des Künstlers so-
gleich befriedigt, so wurde er es noch in vollerem Masse,
als er nun die erste von ihm ausgeführte Malerei der Theo-
logie erblickte. Ja, alle seine Erwartungen waren so sehr
1) Jouathan Richardson, Traitä de la peinture etc. p. 353. Den
Brief besass Cav. Pozzo, seitdem ist alle Spur davon verloren ge-
gangexx.