Jllaelowznen
dem
mit
schlafenden
Kinde.
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Wie jugendlich graziös und liebevoll lehnt sich das Christ-
kind auf" ihrem Fusse stehend, an ihren Schoos, und sieht
so ehrlich fromm und in Liebe zu der Mutter empor, dass
Worte fehlen, dieses zum göttlichen erhobene menschliche
Verhältniss auszusprechen. S0 ist es denn wohlthuend in
dem kleinen dabei niederknienden Johannes ein Organ- der
empfundenen Bewunderung zu finden, welche dieser auf
eine so seelenvollc Weise ausspricht, dass Sinn und Ge-
miith in gleichem Masse erfreut und befreidigt werden.
Auf diese .Weise ist Rafaefs bildende Kunst, wie sie es
nach der ältesten Ansicht sein sollte, eine stumme Dicht-
kunst, in welcher, wie in der schweigenden Natur, geistige
Gedanken, Begriffe, Empfindungen, deren Ursprung die
Seele ist, durch Formen in das Reich der sinnlichen Er-
scheinung treten.
Rafael scheint auch um diese Zeit jenes Madonnenbild
gemalt zu haben, in welchem Maria von dem schlafenden
Christkind einen Schleier aufhebt, um es_ dem kleinen Jo-
hannes zu zeigen, der kniend und lebhaft bewegt auf das-
selbe hindeutet. Wohin indessen das Originalbild gekom-
men? ist unbekannt. So viel vortreffliche Copien davon
auch vorhanden sind: alle stimmen sowohl in den wesentli-
chen Theilen, als auch in der Landschaft überein, daher
nicht angenommen werden darf, es seien Bilder nach ei-
nem Carton Rafaefs, der noch in der Florentiner Akade-
mie aufbewahrt wird; denn auf diesem sind nur die Figu-
ren ohne Landschaft. Späterhin in Rom wiederholte Ra-
fael diese Composition in einem kleinern, schmälern For-
mat und mit der Abändrung, dass hier der kleine Johannes
die Ilänxlchen verehrend zusammenlegt. Auch die Land-
schaft ist hier verschieden. Dieses köstliche Bildchen, un-
ter dem Namen „Le sommeil de Jesus i" oder „La Vierge
au linge" und „au diademe" bekannt, befindet sich im Pa-
riser Museum.
So wechselte Rafael ab mit Fertigung gründlich und
fleissig behandelter Gemälde, woran er die ernstesten Stu-
dien wendete, und solcher, die mit Kenntniss leicht hinge-