[Madonna
Cowpe-r.
Colomza.
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Glück hat. Mit welcher Innigkeit (lriickt hier die Mutter
das Kind an ihre Brust, im Begriff ihre Liebe mit einem,
mit tausend Küssen zu besiegeln! Rafael aber, nach seinem
feinen Gefühl für das Angemessene, malte, so viel Madon-
llellblltlßf er auch entwarf, nie den Moment des Kiissens
selbst, als etwas zu Irdischcs und in der Idee gewisser-
massen jene Ehrfurcht verletzendes, welche bei der wärm-
sten Liebe der heiligen Mutter, doch dem göttlichen Kinde
gebührt.
Ein Madonnenbild von ausgezeichneter Schönheit und
geistreieher Behandlung ist auch das aus dem Hause Nic-
colini in Florenz, nun im Besitz des Grafen Cowper in
seinem Landsitz Penshaugar. Es ist mit der Jahrszahl 1508
bezeichnet und, wenn auch ungenügend, in meiner „Kunst-
reise durch England" abgebildet. Maria, fast im Proiil ge-
sehen, betrachtet hier liebreich das Jesuskixld, welches auf
einem Polster in ihrem Schosse sitzt und lächelnd den Be-
Schauer ansieht. Dieser bis an das Affectirte streifende
Ausdruck des Kindes ist dem ähnlich, welchen wir schon
beiden zwei Engeln in dem Frescogernälde in S. Severo
angetroffen haben und in nachfolgendem Madonnexlbild aus?
dem Hause Colcnna wiederfinden werden.
Diese jetzt im Berliner Museum befindliche h. Jung-
frau ist übrigens eine überaus graziöse Gestalt von leich-
ter, sozusagen momentaner Bewegung. Ein Büchlein zum
Lesen in der einen Hand, fasst sie mit der andern das
Christkind, welches anmuthig in der Bewegung, sich an
dem Brustsaxim des Kleides seiner lllutter hält. Das Bild,
ein freier Erguss der Phantasie, sehr flüchtig aber geist-
reich behandelt, ist noch weniger ausgeführt als das oben
erwähnte, oder vielmehr es ist eines von jenen Bildern,
welche Rafael unvollendet in Florenz zurüekliess, als er den
Ruf nach Rom erhielt. ln den „Italienisehen Forschun-
gen" ist die llleinung aufgestellt, dass dies das Bild sein
könne, welches nach Vasari iür einen Edelmann in SiCIIa
bestimmt war, und an dem llidolfo Ghirlandajo den blaue"