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Pictro
Bembzfs
Rede.
die sein, welche entspringen aus der Quelle der hohen und
wahren Schönheit, die der Ursprung einer jeden andern
Schönheit ist, die immer schön, nie wächst und nie ab-
nimmt, nur durch sich selbst in vollkommener Einfachheit
sich allein gleich ist, von nichts anderm abhängig, aber auf
eine Weise schön, dass alle andere schöne Dinge nur schön
sind, weil sie an ihrer Schönheit Theil haben. Das ist
jene Schönheit ungeschieden von der höchsten Güte, welche
mit ihrem Licht alle Wesen ruft und zu sich zieht, und
nicht nur den geistigen den Geist gibt, den vernünftigen
die Vernunft, den sinnlichen den Sinn und die Lust zu le-
ben, sondern auch den Pflanzen und den Steinen, als eine
Spur ihrer selbst, die Bewegung mittheilt und den ihrer
Natur eigenthümlichen Instinkt. S0 viel grösser und be-
gliickender nun ist diese Liebe über die andere, als die Ur-
sache, die sie erregt, vorzüglicher ist. Und gleichwie das
materielle Feuer das Gold läutert, so zerstört und verzehrt
dieses heiligste Feuer in den Seelen, was noch sterbliches
in ihnen ist, und belebt und verschönt jenen himmlischen
Theil, welcher früher durch die Natur der Sinne fast er-
storben und begraben war. Dies ist der Scheiterhaufen, auf
welchem, wie die Dichter schreiben, Hercules auf dem Gi-
pfel des Berges Oeta verbrannte und dadurch göttlich und
unsterblich geworden sei; das der feurige Busch Mosi; die
gespaltenen Feuerzungen; der feurige Wagen des Elias,
das Feuer, welches die Gnade und Glückseligkeit in den
Seelen (lerjeuigen verdoppelt, welche würdig sind es zu se-
hen, wenn die Seele, von diesem irdischen Elende schei-
deud, den Flug zum Ilimmel nimmt."
„Richten wir also alle Gedanken und Kräfte unserer
Seele nach diesem heiligsten Lichte, welches uns den Weg
zeigt, der zum Himmel tiihrt, und indem wir auf demselq
ben uns von den Neigungen entkleideu, mit denen wir im
Hinabsteigen angethan waren, steigen wir auf der Leiter,
welche auf dem untersten Grade den Schatten der sinnli-
chen Schönheit einnimmt, zu dem erhabenen Gemach, in
welchem die himmlische, liebliche und wahre Schönheit
wohnt, die in den geheimsten Sitzen Gottes verborgen ist,