Der
Huf zu
Ürbino.
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drea Gritti und Domenico 'I'riiisani;-alle durch Geburt und
Kenntnisse ausgezeichnete Männer, deren jeder fiinf Söhne
des Adels und viele Diener zur Begleitung hatte, so dass
sich die Zahl der Fremden auf 200 Personen belief. Und"
ter solchen Verhältnissen stand der Hof von Urbino da-
mals in seiner schönsten Bliithe; und um noch ein anschalt-
liches Bild des höhern gesellschaftlichen Lebens zu geben,
welches auch auf ltafaelis Bildung einen entschiedenen Ein-
fluss ausiibte, so stehe hier die Beschreibung einer der
Abcndunterhaltungen, welche, nachdem der Herzog Kränk-
lichkeit halber sich zurückgezogen hatte, in den Gemächern
der Herzogin statt fanden. Sie ist dem schon öfters er-
wähnten „Libro del Cortegiano" vom Grafen Castiglione
entlehnt, und zeigt uns den geistreichen und liebenswürdi-
gen Pietro Bembo, der, dazu aufgefordert, seine Ansichten
über Schönheit und Liebe mittheilt Der Graf Castiglione
lässt ihn seine Rede beginnen mit Betrachtungen über die
der Jugend eigenihiimliche, körperliche Schönheit und sinn-
liche Liebe; und zeigt dann, wie die Schönheit der Seele
der eigentliche Grund der leiblichen Schönheit sei; wie da-
her die Liebc zur Seele weit edleren und dem reifern Al-
ter wiirdigernjwienuss darbiete. Sehr gesteigert und ver-
edelt werde aber die Liebe, wenn sie sich ein Bild der all-
gemeinen Schönheit schaife, welche sie jedoch nie vollkom-
men, sondern nur theilsveise in einzelnen Individuen finde.
1) Seit Mitte des 15. Jahrhunderts war in Italien durch die
flüchtig gewordenen" Griechen und besonders durch den Schutz, wel-
chen sie bei den Medicäern in Florenz erhielten, das Studium
der Platonischen Schriften wieder lebhaft in Aufnahme gekommen,
und wurde auch von den schönen Geistern am Urbiner Hofe mit
Eifer betrieben. Schon im Jahr 1505 hatte Pietro Bembo durch
seine Gespräche über die Natur der Liebe (gli Asolani, von dem
Schloss Azolo, wo er sie schrieb, so genannt) als ein geistreicher
Verehrer des Plato sich Rulnn erworben, und nachfolgende Betrach-
tung ist gleichfalls, der Hauptidee nach, dem Gastmal des Platon
nachgebildet. Dass Rafnehs vertrauter Umgang mit diesen Männern
auch auf dessen Ansichten Einfluss hatte, ist natürlich, und 059""
harte sich bei verschiedenen Gelegenheiten, wie wir später Sehe"
werden.