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Rafael in
Bologna.
und dessen Werken zu bezeugen, wie uns dieses durch den
Brief Rafaefs an letztern vom Jahr 1508 bekannt ist. Durch
denselben Brief und durch Baldi wissen wir auch, dass Ita-
facl für Gio. Bentivoglio eine Geburt Christi malte. Da
nun. dieser Beherrscher Bolognas im I-Ierbste 1506 durch
Papst Julius II aus der Stadt vertrieben wurde, so folgt
nolhwendig, dass das ihm gefertigte Presepe vor dieser
Zeit entstanden ist. WVir haben zu bedauern, dass uns
durch ältere Schriftsteller weder eine nähere Beschreibung
noch eine Nachricht über dessen Schicksal erhalten WHHIO.
Es ist indessen nicht ohne Wahrscheinlichkeit, dass
eine von Frau von Humboldt beschriebene Anbetung der
Hirten') im Zimmer der Infantin Maria in San lldefonso
dieses von allen Biografen Rafaefs vergeblich gesuchte Pre-
sepe ist; denn die geistreiche und kenntnissvolle Dame
bezeichnet es als noch etwas trocken gemalt, obgleich die
Composition, der Ausdruck der Köpfe und der W-urf der
Gewänder ganz Rafaelisch seien. In einem Stalle auf niede
riger Stufe sitzt Maria mit dem Christkinde, welches der
kleine Johannes liebreich umarmt. Die betagte Elisabeth
mit der Spindel in den Händen sieht man hinter der h.
Jungfrau, und neben ihr steht Joseph, in dessen Nähe ein
Hirtenknabe verehrend ein Körbchen mit Trauben bringt.
Ein andrer Hirte tritt gleichfalls zur Anbetung des neuges
bornen Heilandes in den Stall, worin Ochs und Esel stehn.
Von der damals geschlossenen Freundschaft Rafaefs
mit Meister Francesco Franeia scheint noch ein mit dem
Namen des erstern bezeichnetes Bild zu zeugen, welches
die mystische Vermählung der h. Catharina (in halben Fi-
guren) darstellt; denn die Charaktere desselben, besonders
der Kopf der Heiligen, erinnert auffallend an Rafaefs Bile
dungen, obgleich die Ausführung sicher nicht von ihm her-
hielt. Dieses wird um so wahrscheinlicher, da. er auch zweier nicht
unbedeutender Bilder, einer Verkündigung und einer Anbetung der
Hirten, die sich daselbst befanden, gleichfalls mit keinem Worte er-
wähnt.
Siehe
Programm
der jeuaer Literaturzeitung
1809.