Granduca.
ßlmlonna zlel
85
die Werke des Leonardo da Vinci sah blieb er ganz
überrascht und erstaunt; genug, die Art des Leonardo ge-
iiel ihm besser als jede andere, die er je gesehn hatte,
er studirtc sie und verliess nach und nach, doch nicht
011119 ämsse Anstrengung, die Manier des Pietro Perugino
und suchte, so viel er nur konnte, die des Leonardo nach-
zuahmen?"
Als eins der ersten Bilder, die Rafael in Florenz aus-
führte, bezeichnen wir die schöne Madonna, del Granduca
genannt, die, noch sehr an des Perugino Schule erinnernd,
doch schon eine grossartigere, einfachere Haltung zeigt.
Ja, was noch mehr ist, Rafael in jugendlich nngetriihter
Unbefangenheit erstrebte in diesem Madonnenbild eine so
jungfräuliche, über alles Sinnliche erhabene Schönheit, dass
sie einen unbeschreiblichen, wahrhaft keuschbezauberndeli
Reiz ausübt, der so nngemischt und entschieden nie wie-
der in seinen Bildern der h. Jungfrau vorkommt. Hier se-
hen wir sie mit holdselig gesenktem, fast in sich gekehr-
tem Blick, nur himmlischer Gedanken und tiefer Ahnungen
voll, und nur in der liebevollen Sorge für ihr göttliches
Kind nach aussen gewendet. Dieses, von der Mutter sorg-
sam auf dem Arm gehalten, schmiegt sich kindlich an sie
an und schaut aus dem Bilde heraus. Den Grund bildet
1) Bottari, nach Piacenzzis Angabe, sah bei Benedetto Luti
ein Portrait RafaePs in schwarzer Kreide gezeichnet, welches
er von der Hand des Leonardo glaubte und daran einen Be-
weis knüpfen wollte, dass besondere freundschaftliche Verhält-
nisse zwischen dem Altmeister und dem jungen Urbiner statt ge-
funden hätten. Allein jene Zeichnung, welche aus der Sammlung
William Kent in die des Generals WV.Guise, jetzt im Christ-Church-
College zu Oxford, gekommen ist, stellt zwar unzweifelhaft Rafael
in einem Alter von etwa 20 Jahren vor, allein sie hat in der Be-
handlungsweise nicht das geringste von der des Leonardo, sondern
dürfte von einem Jugendfreunde des erstem herrühren, der ein bes-
serer Zeichner, als tiefer Künstler war. Eben so irrig ist auch
noch die andere Angabe des Bottari, dass das in Öl gemalte Por-
trait eines von vorn gesehenen jungen Mannes in der Florentiner
Gallerie, welches dem Leonardo da Vinci zugeschriebenuwird, def]
jungen Rafael vorstelle, denn es hat nicht die geringste Ahlllichkelt
mit ihm.