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Berichte,
Kritiken,
Erörter
mge
er gleichwohl ein geschlossenes, in sich vollendetes Ganze, nicht eine Skizze
für etwanige weitere Ausführung, giebt. Diese seine Meisterschaft fällt um
so mehr in die Augen, wenn man seine Werke mit andern Bestrebungen
unsrer Zeit vergleicht. Dahin rechnen wir z. B. die
Gallerie zu Shakspeaxes dramatischen Werken. In Umrissen,
erfunden und gestochen von Moritz Retzsch. Zweite Lieferung. Mac-
beth, XIII Blätter. eMit .0. A. Böttigefs Andeutungen und den sceni-
schen Stellen des Textes. Herausgegeben von Ernst Fleischer. Leipzig
und London. 1833.
Allerdings ist hier vielfach Bedeutendes und Eigenthümlicltes enthal-
ten, vornehmlich in den mehr phantastischen Scenen. S0 sind gleich auf
dem zweiten Blatt die drei Hexen, wie sie über die schottische Haide hin-
schweifen, grandios, und, in dem ernsten alttlorentinischen Faltenwurf ihrer
Gewänder, in genügend tragischem Pathos gehalten; so sind in der Mord-
scene die nebelhaften Geister, welche den Macbeth und die schlafenden
Hüter umschweifen und lautlos Wehklagen, äusserst glücklich verkörpert;
so ist ferner, die tolle Scene in der Hexenhöhle, besonders der still hin-
durchschreitende Zug der Könige, sehr wirksam dargestellt. Andres aber
genügt uns weniger, vornehmlich durch den, bei Gelegenheit der Umrisse
zu Schillers Glocke von uns schon gerügten Umstand, dass Retzsch sich
nur selten und nur zufälliger Weise an die strengen Bedingungen der
Gomposition in blossen Umrissen bindet, wodurch eben Flaxman so glück-
lich wirkt. iMancherlei Manierirtes im Einzelnen können wir ebenfalls
nicht billigen, überhaupt nicht in den ungemessenen Enthusiasmus einstim-
men, welchen. laut dem Vorworte, die Engländer für unsern Künstler hegen
und welchen wir jüngst in einem deutschen artistischen Blatte wiederholt
fanden, darin Retzsch geradezu neben Shalrspeare gesetzt ward. Den ge-
lehrten lürläutertrngen von Hofrath Böttiger genügt der Name ihres berühm-
ten Verfassers zur Empfehlung.
Derselbe Vorwurf: unvollendete Skizzen zu Gemälden statt selbstgenü-
gender Umrissdarstellungen gegeben zu haben, triift auch das Werk eines
andern Künstlers, welches uns eben vorliegt:
Ruhl's outlines to Sliakspeare. Othello. Thirteen plates. Frankl
"fort o. M. published by Frederick Wilmans magazine of arts and litera-
ture. 1832.
Auch hier schliessen sich Seiten-, Mittel- und Hintergründe an die
Handlung der einzelnen Seenen an, indem sie eine weitere Erläuterung
derselben bilden sollen, aber nur dazu dienen, die für die geringen Mittel
des Umrisses nicht immer genügend klar und plan entfalteten Gruppen
noch mehr zu verwirren. Dazu kommt noch, dass der Künstler, im Ein-
zelnen vielleicht durch das spanische Kostüm der Zeit verführt, wenig für
eine stylisirende Zeichnung, wie sie der Umriss nicht minder verlangt,
sorgte. Doch linden wir ausserdem weniger Manier als bei Retzsch und
einzelne glückliche, selbst grossartige Compositionen. Als Krone von die-
sen nennen wir die Ermordung der Desdemona, welche eben so einfach als
im höchsten tragischen Pathos erfunden und gezeichnet ist.