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Nachtrag.
Barbarei und höchste hellenische Kunstblüthe sind eben in keiner Weise
mit einander in Vergleich zu bringen, und wer dies thut, würde dem
Gegner, der den Streit aus dem Sachlichen in das Persönliche überzn-
spielen geneigt wäre, allzu gefährliche Waden in die Hand gegeben haben.
Die plutarchischen ßaqzsfg, die man sonst wohl als Bemaler von Sculp-
turen übersetzt hat, erklärt der Verfasser mit Welcker als die Meister der
Metallmischung für kunstreichen Guss. Die Deutung mag richtig sein;
jedenfalls ist es bekannt, wie hoher Werth im Alterthum auf diese oder
jene Bronzemischung gelegt ward und dass das gediegene Verfahren in
dieser Technik zur Kaiserzeit verloren war. Auch mag immerhin die
sterbende Iokaste des Silanion, von Erz mit bleichem (silbergemischtem)
Gesicht, solcher Technik angehört haben; obschon zu bemerken ist, dass
hier eine Aneignung malerischen Effektes ersichtlich wird, der unbedenk-
lich unter überwiegenden malerischen Elementen einer jüngeren Zeit, der
des vierten Jahrhunderts, erstrebt wurde, dass die Wirkung jedenfalls
nur eine äusserliche, conventionelle war (denn um darüber hinauszukom-
men, hätte es einer, hier völlig unmöglichen Durchbildung des malerischen
Tones bedurft), und dass es sich hier überhaupt schwerlich um etwas
Andres als um einen vorübergehenden Versuch handelt. Bedenklicher
ist es mit dem ehernen reuigen Athamas des Aristonidas, dessen Schaam-
röthe, wie Plinius berichtet, durch eine Eisenbeimischung also durch
eine Oxydirung dieses beigemisehten Eisens hervorgebracht war. Eine
Erzfigur mit bleichem Gesicht, wie die der Iokaste, können wir uns allen-
falls vorstellen; eine erröthende Erzfigur (und gar zum Ausdruck reue-
voller Schaam!) muss einem gesunden künstlerischen Sinne nothwendiger
Weise ziemlich widersinnig erscheinen, die Berechnung auf den Oxydi-
rungsprozess der Metallmischung einigerrnaassen fabelhaft. Mir ist es
vielmehr glaublich, dass die Bronze des Athamas durch irgend einen un-
vorhergesehenen Zufall jenen röthlichen Ton angenommen hatte und dass
die künstlerische Absicht nachträglich hineininterpretirt wurde; der gute
Plinius ist an Notizen über derartige Kunstkuriositäten nicht ganz arm.
Der Verfasser geht freilich noch weiter, indem er aufs Neue, in ausführ-
licher Mittheilung. die rednerischen Floskeln eines Kallistratus und Andrer
über erröthendes Erz, über rothwangige Bronzestatuen sogar die Aeus-
serung des Hirnerius über die eherne (lemnische) Athene des Phidias,
deren Schönheit sich, statt des Helmes, in solches Wangenroth verhülle,
wörtlich nimmt. Eine mit Naturfarben illusorisch bemalte Statue ist aus-
führbar und ist unter Umständen ausgeführt worden; ein partieller rother
Anhauch, zum Ausdruck flüehtigsten Lebens, über einem Bronzebilde,
w-elches durch seinen stoftlichen Farbenton von vornherein auf alle Illu-
sion verzichtet, gehört, wie eben angedeutet, einfach in das Gebiet des
Sinnlosen. Wer in jenen Aeusserungen, und gar mit Bezug auf Werke
des Phidias, mehr sieht als Phrase, mit dem ist nicht füglich weiter zu
streiten. Auch habe ich schon (I, S. 315, Anm. 3) auf die Widersprüche
hingedeutet, in welche sich Kallistratus bei derartig spielenden Wenden"
gen selbst verwickelt.
Beiläufig kommt der Verfasser auch auf jene Stelle des Plinius (36,
4, 10 der Tauchnitzschen Ausgabe) zu sprechen, in welcher von der Sta-
tue der Hekate im Hinterhause des ephesischen Dianentempels die Rede
ist und hinzugefügt wird, dass die Besucher durch die Aufseher erinnert
Würden, vor der strahlenden Gewalt des Marmors ihre Augen zu hüten.