Landschaftliche Radirungen von
Wagner.
739
wiedergegeben. Auch wer den Inhalt der Darstellung nicht kennt und
vielleicht der Ansicht ist, dass selbst ein Gesehichtsbild ohne historische
Voraussetzung völlig verständlich sein müsse, wird vor dem Stiche, wie
vor dem Bilde, die Ueberzeugung gewinnen, dass hier nach einer, in
schmerzvollem Ernste durchwachten Nacht ein tragischer Morgen tagt.
Wir freuen uns des Blattes, da es jene strenge historische Kunst, der
Gallait sich gewidmet und die er zu so hoher Vollendung gebracht hat,
zunächst an diesem Beispiel weiteren Kreisen zur Anschauung bringt.
Dem rechten Werke aber sind weitere Wirkungen beschieden, und so
wollen wir hoffen, dass auch dies Blatt seinen Theil künstlerischer Mission
erfülle. Die Grösse desselben, oder vielmehr die des eigentlichen Sti-
ches, ist c. 133], Zoll Breite bei Zoll Höhe.
VOll
Landschaftliche Radirungen
Wagner.
Kunstblatt
1854,
Dem Unterzeichneten liegt eine Anzahl von landschaftlichen Radirungen
V01", deren künstlerische Bedeutung es rechtfertigt, wenn ihrer schon jetgt,
obgleich sie noch nicht in die Oetlentlichkeit getreten sind, im Deutschen
Kunstblatt gedacht wird. Es sind 22 Blätter mehr oder weniger grossen
FOTIIIRlCS (FOL), Radirungen auf Stahl, von Hrn. C. Wagner, Hofmaler
und Gallerie-lnspector zu Meiningen, gefertigt. Mehrfach sind Jahrzahlen auf
ihnen enthalten; sie beginnen hienach (mit Ausnahme von einigen Blättern,
die ohne Zweifel noch älter sind,) mit dem Jahre 1839 und reichen bis zum
vorigen Jahre (1853) herab. Der Inhalt ist das Leben der deutschen Wälder
und Berge; tiefe Natureinsamkeit, wo Eichen, Buchen. Rüstern, Tannen
das Geflecht ihrer Zweige ineinanderbreiten, Felslasten oder heimliche
Wasser mit ihren quellenden Uferptlanzen dazwischen; zuweilen ein Aus-
blick in die lichte Ebene und auf die Zeugnisse menschlichen Daseins,
die in letzterer befindlich sind. Einige Blätter zeigen die winterliche
Ruhe der Natur. Ein Theil gehört dem bairischen und dem tirolischen
Hochgebirge an; in diesen machen sich mächtige Formen der landschaft-
lichen Natur und kühnere Combinationen von solchen geltend. Die Be-
handlung ist frei und lebenvoll; es spricht sich darin jene reine, unge-
brßßhellß Empfindung für das Weben und Schaffen der Natur und für
ihren harmonischen Zusammenklang, die den Freund der Natur so wohl-
thuend berührt, aus; es ist jenesrasche, fast unwillkürliche Spiel der
Linien, das uns, wie alle Zeichnung von der Hand der Meister, so nament-
lieh auch ihre Radirung so werth macht. Näherer Betrachtung geben die
Blätter einen besonderen Reiz dadurch. dass jedem einzelnen das Gepräge
des persönlichen Momentes aufgedrückt ist: es ist nichts von irgendwel-
cher Chablone in ihnen bemerkbar, es ist Alles, mehr oder weniger, ein
neu Empfundeues, neu Erzeugtes. So enthalten sie in der Folge, in der
sie entstanden sein dürften, zugleich die Spiegelbilder der inneren künst-
lerischen Entwickelung. Ein Paar kleinere Blätter, gewiss die frühsten,