Berichte,
Kritiken,
Erörterungen.
Arbeitstisch, von rohen Gesellen verhöhnt. Freiheit! Hausdächer mit
Schornsteinen, vom Monde beschienen. Aus dem Bodenfenster des vor-
deren, an dem eine Leiter lehnt, steigt unser Freund mit Bündel und
Wanderstab hervor. Schule. Das Glück hat ihn günstig geführt. Er
betindet sich in der Zeichenklasse einer Kunstschule und studirt an dem
Kopfe des Laokoon; es wird ihm sehr sauer, man sieht all seinen Mienen
und Geherden das noch Unentwickelte an; doch liegt in seinem Gesichte
Etwas, das seine künstlerische Ausbildung nicht bezweifeln lässt. Der
Lehrer, mit einem Lehrergesicht comme ilfaut, muss ihn gründlich zurecht-
weisen. Selbstkampf. Die Züge im Gesicht wollen sich entwickeln,
aber freilich geschieht das nicht ohne Mühe und Noth. Er sitzt in seinem
Bodenstübchell vor der Staffelei, verdrossen vor sich niederstarrend, die
Hände krampfhaft ineinandergepresst. Zornig verlässt ihn ein älterer Künst-
ler, dessen Rath er kein Gehör geben kann. Liebe. Es ist eine Kirche;
ein zartes, etwas sentimentales junges Mädchen kniet vor dem Bilde einer
Mater dolorosa, das Gcbetbtlch in der Hand; unser Freund, ein zierlicher
Kurtka, steht staunend hinter ihr. Luftschlösser. Sie und ihre alte
Mutter leben vom Spinnen; er ist bei ihnen und hat den Arm um sie ge-
schlungen, indem er ihr die schönsten Dinge vorschwatzt; seine Umarmung
hat etwas Gezwungenes. Wirklichkeit. Es ist wieder, wie atlCh im
Vorigen. eine Dachwohnung. Durch die geöffnete Thür sieht man im
Hinterstübchen die nunmehrige Frau, die mit ihren Kindern spielt; vorn
sitzt er vor der Statfelei, mit verbissenern Ingrirnm das Portrait einer
Dame malend, die, sammt ihrem Begleiter, aus Göthes „Künstlers Erden-
wallen" genugsam bekannt ist; beide, besonders der Herr, sind vorzüg-
liche Karikaturen. Bis hieher sind wir den Lithographieen mit Liebe
gefolgt; wenn auch hin und wieder eine Figur etwas zu kurz gerathen,
wenn auch die letzten Bilder nicht mehr mit dem sorglichen Fleiss aus-
geführt waren, wie die ersten, so hatte sich doch in allen Compositionen
eben so viel Laune wie Gemüth gezeigt, und überhaupt ein Ganzes, das
eben so besonnen eingeleitet, wie fortgeführt war. Nun fehlt aber das
Resultat aller bisherigen Bestrebungen, der eigentliche Licht- und Silber-
blick des Künstlerlebens. Das folgende Bild enthält sein Ende, das letzte,
grössere den Nachruhm, die vollständige Scene aus Göthe's „Apo-
theose des Künstlers", wie sein Bild in der Gemäldegallerie aufgestellt,
von Fürst, Kennern und Künstlern bewundert und schwer bezahlt wird.
Es fehlt die erste Scene des Götheschen Gedichtes, wo der Künstler in
dem Genusse der eignen Begeisterung schwelgt; es fehlt, was ungleich
höher ist, die Darstellung des Bewusstseins, durch die Kunst, wenn auch
im engsten Kreise, erbaulich gewirkt zu haben. Dies Bewusstsein gerade
bildet die wahre Kraft zum Widerstands gegen alle Leiden trübseliger
Wirklichkeit, wenn auch der Körper unterliegt; es hält den wahrhaften
Künstler in allen Drangsalen aufrecht, während nur der hochmüthige
Handwerker, der nicht zur Kunst berufen war, erliegen kann; es ist mehr
als jener eitle "Nachruhm." Denn für die Bildergalierie malt schwerlich
der ächte Künstler; sein Werk soll lebendig ins Leben greifen.
Abgesehen also VOII dem mangelnden, oder. wie er vorliegt, unange-
nehmen 5011111358, gehört da?! Wßrk unter die erfreulichsten Erscheinungen
der Art; es ist dem Künstler alle Aufmunterung zu wünschen, damit er
auf dem eingeschlagenen Wege fortfahren und sein schönes und eigen-
thümlißhes Talent immer freier ausbilden möge, um so mehr, als er sich,