Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

Berichte, 
Kritiken, 
Erörterungen. 
Arbeitstisch, von rohen Gesellen verhöhnt.  Freiheit! Hausdächer mit 
Schornsteinen, vom Monde beschienen. Aus dem Bodenfenster des vor- 
deren, an dem eine Leiter lehnt, steigt unser Freund mit Bündel und 
Wanderstab hervor.  Schule. Das Glück hat ihn günstig geführt. Er 
betindet sich in der Zeichenklasse einer Kunstschule und studirt an dem 
Kopfe des Laokoon; es wird ihm sehr sauer, man sieht all seinen Mienen 
und Geherden das noch Unentwickelte an; doch liegt in seinem Gesichte 
Etwas, das seine künstlerische Ausbildung nicht bezweifeln lässt. Der 
Lehrer, mit einem Lehrergesicht comme ilfaut, muss ihn gründlich zurecht- 
weisen.  Selbstkampf. Die Züge im Gesicht wollen sich entwickeln, 
aber freilich geschieht das nicht ohne Mühe und Noth. Er sitzt in seinem 
Bodenstübchell vor der Staffelei, verdrossen vor sich niederstarrend, die 
Hände krampfhaft ineinandergepresst. Zornig verlässt ihn ein älterer Künst- 
ler, dessen Rath er kein Gehör geben kann.  Liebe. Es ist eine Kirche; 
ein zartes, etwas sentimentales junges Mädchen kniet vor dem Bilde einer 
Mater dolorosa, das Gcbetbtlch in der Hand; unser Freund, ein zierlicher 
Kurtka, steht staunend hinter ihr.  Luftschlösser. Sie und ihre alte 
Mutter leben vom Spinnen; er ist bei ihnen und hat den Arm um sie ge- 
schlungen, indem er ihr die schönsten Dinge vorschwatzt; seine Umarmung 
hat etwas Gezwungenes.  Wirklichkeit. Es ist wieder, wie atlCh im 
Vorigen. eine Dachwohnung. Durch die geöffnete Thür sieht man im 
Hinterstübchen die nunmehrige Frau, die mit ihren Kindern spielt; vorn 
sitzt er vor der Statfelei, mit verbissenern Ingrirnm das Portrait einer 
Dame malend, die, sammt ihrem Begleiter, aus Göthes „Künstlers Erden- 
wallen" genugsam bekannt ist; beide, besonders der Herr, sind vorzüg- 
liche Karikaturen.  Bis hieher sind wir den Lithographieen mit Liebe 
gefolgt; wenn auch hin und wieder eine Figur etwas zu kurz gerathen, 
wenn auch die letzten Bilder nicht mehr mit dem sorglichen Fleiss aus- 
geführt waren, wie die ersten, so hatte sich doch in allen Compositionen 
eben so viel Laune wie Gemüth gezeigt, und überhaupt ein Ganzes, das 
eben so besonnen eingeleitet, wie fortgeführt war. Nun fehlt aber das 
Resultat aller bisherigen Bestrebungen, der eigentliche Licht- und Silber- 
blick des Künstlerlebens. Das folgende Bild enthält sein Ende, das letzte, 
grössere den Nachruhm,  die vollständige Scene aus Göthe's „Apo- 
theose des Künstlers", wie sein Bild in der Gemäldegallerie aufgestellt, 
von Fürst, Kennern und Künstlern bewundert und schwer bezahlt wird. 
Es fehlt die erste Scene des Götheschen Gedichtes, wo der Künstler in 
dem Genusse der eignen Begeisterung schwelgt; es fehlt, was ungleich 
höher ist, die Darstellung des Bewusstseins, durch die Kunst, wenn auch 
im engsten Kreise, erbaulich gewirkt zu haben. Dies Bewusstsein gerade 
bildet die wahre Kraft zum Widerstands gegen alle Leiden trübseliger 
Wirklichkeit, wenn auch der Körper unterliegt; es hält den wahrhaften 
Künstler in allen Drangsalen aufrecht, während nur der hochmüthige 
Handwerker, der nicht zur Kunst berufen war, erliegen kann; es ist mehr 
als jener eitle "Nachruhm." Denn für die Bildergalierie malt schwerlich 
der ächte Künstler; sein Werk soll lebendig ins Leben greifen. 
Abgesehen also VOII dem mangelnden, oder. wie er vorliegt, unange- 
nehmen 5011111358, gehört da?! Wßrk unter die erfreulichsten Erscheinungen 
der Art; es ist dem Künstler alle Aufmunterung zu wünschen, damit er 
auf dem eingeschlagenen Wege fortfahren und sein schönes und eigen- 
thümlißhes Talent immer freier ausbilden möge, um so mehr, als er sich,
	        
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