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Berichtä,
Kritiken,
Erörterungen.
moderne Element sich wiederum in völlig ungesuchter Weise bethätigt
hat. Andre Entwürfe zu ausgeführten Bauten rühren von Knoblauch
her. Unter diesen sind besonders die Zeichnungen zu verschiedenen
Schlössern anzuführen, die in einer Art normannischen StyIGS, aber zu-
gleich in einer etwas trocken-dekorativen Weise durchgcbildet sind. Dann
ist von Knoblauch der Entivurf zu einer protestantischen Kirche (in Rissen
und mit einer kolorirten Perspektive des Innern) vorhanden. Es ist ein
länglich rechteckiges Gebäude, bedeckt mit einem flachen Spiegelgewölbe,
von dem sich eine starkgebogenc Voute zu den Seitenwänden hinüber-
schwingt. Die Fenster und die tiefen Fensternischen sind schlank spitz-
bogig; die spitzbogige Gewölhkappe der Nischen greift in die Voute
hinein, was sich nicht sehr stylmässig ausnimmt. Das Ganze hat eben
auch nur einen sauber dekorativen Charakter.
Eine Anzahl architektonischer Entwürfe rührt von Gemmel in Kö-
nigsberg her, den wir schon als tüchtigen Architekturmaler kennen gelernt
haben. Es sind fast durchgängig Entwürfe und Risse zu Umbauten oder zu
Neubauten für Königsberg, auf besondre vorhandene Gebäude oder doch
auf, zum Theil (wie es scheint) eigenthümliche Lokalbedingungen bezüg-
lich. Sie haben mehr oder weniger etwas Grandioses in der Hauptcom-
position und zeigen, vornehmlich wo die Formenbehaudlung sich der der
mittelalterlichen Style annähert, einen geschmackvoll dekorativen Sinn,
während sie sich allerdings in den gewöhnlichen, italienisch-modernen
Formen nicht mit gleichem Glücke bewegen. Doch zeigt der Entwurf zum
Umbau eines Portales vom Königsberger Schlosse eine schöne Behandlung
der Formen des Renaissancestyles. Der Entwurf zu Bauerhäusern, wig-
derum nach Maassgabe der Bedürfnisse des preussischen Landes und des
zu Gebote stehenden Materials, wendet für diese Zwecke mit Glück die
bei den schweizerischen und den Tyroler Häusern befolgten Grundsätze
an. Die Entwürfe Gemmels zu einem Ständehanse in Pesth, die im
Katalog mit verzeichnet sind, habe ich auf der Ausstellung nicht wahr-
genommen.
Den Beschluss mache ich mit den Entwürfen zu einer grossen Kirche
von Martins. die sich als Nachläufer der verschiedenartigen Reichs-
dombau-Entwürfe, welche uns die letzten Jahre von verschiedenen Seiten
her gebracht hatten, kund geben. Es ist ein quadratisches Gebäude, in
der Mitte vier mächtige Pfeiler mit Rundbögen, über denen sich eine
Kuppel erhebt. Vier Treppenthürme stehen auf den Ecken des Gebäudes,
vorn tritt ein Portikns vor, hinterwärts die Abside des Altars, zu den
Seiten lehnen sich achteckige Kapellen an. Die Bauformen sind vorherr-
schend die des Rundbogeus, Durchbildung und Behandlung der Formen
zeigen ein Gemisch von gothischem Wesen und dem der Renaissance. Der
grosse Kuppelthurm in der Mitte und die vier Eckthürme sind mit durch-
brochenen (und, wie es scheint, aus Eisen constrnirten) Hclmen in spitz-
bogiger Form bedeckt. Es lässt sich nicht läugnen. dass das Alles einen
ziemlich Rococo-artigen Eindruck macht. Die eine Eckkapelle bildet das
Baptisterinm, die andre, in zwei heizbare Geschosse zerfallend, ist unten
zum Conlirmandenunterricht, oben zur Abhaltung von Synodal- und Pres-
byterialversammlutigen bestimmt. Der Verfertiger ist mit seiner Arbeit
post festnm gekommen. Der Strom der Zeit wird diese papiernen Ent-
würfe. wie so manche andre, an denen die Welt in diesem Augenblick
arbeitet, mit sich hinabführen.