Briefe.
Berliner
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Zügc unsres verehrten Gartenkünstlers Lehne trägt. Dann hat Rauch das
Modell eines lebensgrossen, bittenden Mädchens im Kindesalter ausgestellt,
das nackt, dem Katalog zufolge nur als Studium behandelt ist, dabei aber
wieder die durch und durch gefühlte Naturlebendigkeit mit edclster, rein-
ster Haltung in einer Weise verschmilzt, welche der Arbeit gleichwohl das
Gepräge des abgeschlossenen Knnstwerkes giebt. Zu den Studien für
junge Künstler dürfte freilich nicht leicht ein besseres Modell zu finden
sein. F. Tieck hat uns, ausser einer Büste, das halblebensgrosse Mo-
dell der Statue einer sitzenden Muse, eine Arbeit im wohl entwickelten,
mehr dekorativen Style, gebracht, Wichman n, ausser einigen Büsten,
die übcrlebensgrosso Statue Winckelmanms, im Kostüm seiner Zeit. Die
Arbeit ist mit aller erforderlichen meisterlichen Praktik durchgeführt,
will auf mich aber nicht recht erfreulich wirken. Der Kopf wird ähnlich
sein; es fehlt mir in Stellung und Haltung jedoch der begeisterungsvolle
Ernst, den wir bei dePErscheinnng des grossen Propheten der Schönheit,
auch wenn er nicht auf griechische Weise idealisirt ist, nothwendig for-
dern müssen. Es kommt hinzu, dass der Künstler ihm, wohl um die
Erscheinung voller zu machen, einen Mantel gegeben, es aber doch nicht
gewagt hat, ihn den Mantel fest und sicher tragen zu lassen. Aeusser-
liehen Stylprincipien zu Liebe sinkt der Mantel (was freilich gar man-
chem Bildhauer heutiges Tages ganz unbedenklich scheint) zur Hälfte
herab und wir haben nun fortwährend die Sorge. dass der Mann im näch-
sten Augenblick, um den Mantel zu retten. seine monumentale Stellung
verlassen muss, so wohl diese überlegt sein mag. Wichmanns Talent
scheint mir nach einer andern Richtung als der der historisch-monumen-
talen Sculptnr hin zu liegen.
Andres, wie eine grosse Marmorgrnppe, Amor und Psyche, von
Berges, Wle ein Amor in Marmor von E. Hopfgarten, wie ein Gyps-
modell des eisengepanzerten Kurfürsten Friedrich II. von Brandenburg,
etwa im Schwanthalefschen Style. von W". Stürmer, und wie eine An-
zahl von Schülerarbeiten hat auf nähere Betrachtung nur mässigen Anspruch.
Das lebensgrosse Modell eines Jünglinge, der in ziemlich lebhafter Bewe-
gung eine Gans trägt, von Piehl, ist wohl gearbeitet, wenn man auch
die dargestellte Situation nicht recht versteht, ebenso der Marmorkopf
eines Knaben, von A. Fischer. Eigenthümliches Interesse gewähren
ein Paar Arbeiten von B. A fingc r, eine Statuette der Maria mit dem Kinde,
und ein kleines Bronzerelief mit der Darstellung der Auferweckung des La-
zarus, das für einen Grabstein des Johanniskirchhofcs zu Nürnberg bestimmt
ist. Atinger hat in diesen Arbeiten mit feinem Sinn, wenn auch nicht
eben mit reiner Naivetät, die mittelalterliche Behandlungsweise, beson-
ders wie sie bei Peter Vischer rlegscheinlt, nachgeahättü- sflolizfüfgliglhe
Bedentun hat eine Anzahl von ierscu pturen von 1 1. 0 t "3
theils fürgden Bronzeguss bestimmt, theils schon als Bronzen ausgestellt
sind. Bereits auf der vorigen Ausstellung hatte dieser Künstler mit ähn-
lichen Arbeiten allgemeine Bewunderung hervorgerufen; auch diesmal
zeigt er sich der ganzen Organisation des thierisehen Lebens und aller
leidenschaftlichen Erregung desselben, in liluntlen, PantherntLotven, Ebern,
Schlangen, mit Meisterschaft mächtig. Ein Rehboek und ein Elennhlrsch
von Bürde. ein Neufoundländer Hund.in Lcbensgrösse von Müller
haben ebenfalls, wenigstens als gründliche Portraitarbeiten, ihrenWeI-th,
Einige. mit freier, bildnerischer Zierde versehene Decorationsarbeiten der