Briefe.
Berliner
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nicht recht klar. Wohl aber sehen wir darin einen Virtuosen vor uns, der
seine Gestalten energisch auf die Beine zu stellen versteht und eine vor-
treftliche Palette führt. Ein andres, kleineres Bild von Fleury, Tasse im
lrrenhause, ist ansprechender in der Idee und in meisterhaft schöner ma-
lerischör Wirkung durchgeführt. Von Lepoittevin und Biard haben
wir vortreffliche, durch die Feinheit des malerischen 'l'önes ausgezeich-
nete Gcnrebilder, während ein Paar andre, von Ch. Bennert (aus Köln)
und E. Beranger, minder bedeutend sind.
Unter den belgischen Bildern nenne ich zunächst eins von Wap-
pers. Es ist die derb gemalte Halbligur eines gefesselten Mannes mit
hoher Stirn, der mit düsterem Baeheblicke den Beschauer üxirt. Der
Katalog sagt uns, dass dieser Mann Christoph Columbus heisst. Von
de Keyser, der sich früher, z. B. in seiner grossen Schlacht von Wor-
ringen zu Brüssel, als leidenschaftlicher, etwas manieristischer Naturalist
bethätigt hatte, sahen wir schon vor nicht langer Zeit ein höchst elegan-
tes, fein gelecktes Boudoirbild, Rubens Atelier vorstellend. Jetzt haben
wir von ihm ein ähnliches Bild auf der Ausstellung: einen Besuch, den
Maximilian, der deutsche Kaisersohn, und seine junge Gemahlin Maria
von Burgund nebst Gefolge bei dem kranken Meister Hemling (alias Mem-
ling) im Johannishospital zu Brügge abstatten. Das Bild ist ebenso fein
und glatt und sauber und berechnet und wunderwürdig in Allem, was
spitzer Pinsel und künstlerischer Calcul hervorbringen können; schade
nur, dass Geist und Leben ebenso fehleiil Mich hat es am meisten ver-
drossen, dass dieser milchbärtige, langröckige Gesell mit seiner äusserst
herablassenden Handbewegung unsern ehrlichen deutschen Max, unsern
nletzten Ritter", vorstellen soll. Auch mit Feinheit und Glätte durch-
geführt, aber zugleich viel mehr Geist und Naivetät bezeugend, erscheint
gin Bild von L. _Soxnmers in Antwerpen; es ist eine alterthümliche
Muslkallführung in einem _Ohore junger Mädchen. Der Katalog verfehlt
nicht, uns den alten Musikdirector als den berühmten Meiste,- Adrian
Vßlaert von Brügge zu bezeichnen. Andre Belgier finden es am be-
quemsten, sich diesen oder jenen alten Niederländer ohne Weiteres zum
Muster zu nehmen, wie Bouvy, der uns einen hübschen Palamedes, und
Venneman, der uns einen Ostade geschickt hat. Ruyten und Car-
pentero bewegen sich in ihren hierher gesandten Genrescenen ebenfalls
ganz in der Richtung ihrer Altvordern, während wir in einer schlichten
häuslichen Scene von de Bruycker doch ein wirklich naives Eingehen
auf die Motive der Gegenwart, zugleich mit schönem malerischem Sinne,
und in einem Bilde von v. Hagn in Antwerpen (wohl einem Deutschen),
das einen lauschenden Spion darstellt, ein nicht minder frisches und kräf-
tiges Talent erkennen. J. Jacobs in Antwerpen hat ein energisch
gemaltes landschaftliches Bild, eine Ansicht der Ruinen von Karnak in
Aegypten gebracht, dessen Wirkung leider nur wieder durch den Gold-
rahmen, der hier sogar in flachen ägyptischen Formen gebildet ist, beein-
trächtigt wird. Von F. Vanseverdonck in Brüssel hat die Ausstellung
ein Paar mit feiner Eleganz behandelte Landschaften mit Thieren, der
Richtung seines Landsmannes Verboeckhoven entsprechend.
Endlich sind noch einige unbedeutende holländische Landschaften zu
nennen. Ein Paar von B. van Straaten, der mit mässigem 'l'alent den
älteren Holländern nachzugehen scheint, und ein Paar von W. d c K1 erck,
der im Style jener eleganten Malereien, welche wir in unsrer Jugend auf