Berliner Briefe.
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ausgestellt hatte und auf dem in ähnlicher Richtung und bei noch lllanggl-
hafter Kraft, ein manieristisch barockes Wesen zu Tage gekommen war,
Indess wird Martersteig dergleichen bei irgend nachhaltigem Willen, zu
dem er nach dem Zeugniss seiner neueren und neusten Werke alle BefähL
gung hat, leicht vermeiden können. Möge ihm die Gegenwart nur mit
grossen Aufgaben zur Darstellung vaterländischer Geschichte entgegen-
kommen! Wenn Einer, so wird er hierin das, was die Zeit verlangt, in
meisterlicher Weise durchzuführen wissen.
WVir wenden uns nunmehr zu den Richtungen und den hervorstechend-
sten Leistungen deutscher Landschaftsmalerei, soweit uns die diesmalige
Ausstellung davon eine Anschauung gewährt. Wir haben es hier Wieder
mit den beiden Hauptpunktcn Berlin und Düsseldorf zu thun, denen sich
das Uebrige, was Aufmerksamkeit verdient, ungesucht anreiht. Die Schulen
beider Orte entsprechen zugleich den beiden ilauptrichtungen der land-
schaftlichen Kunst, die man wohl als die classische und die romantische
bezeichnet und von denen die erstere, bei welcher die Form und die Farbe
die Hauptsache ist, unmittelbar, die zweite, bei welcher es im WVesentlichcn
auf Ton und Stimmung ankommt, mittelbar, durch das Heranziehen dich-
terischer Elemente, auf das Gefühl wirkt. Ich will hiemit aber nur ge-
sagt haben, dass die Hauptvertretci- der einen und der andern Richtung
an dem einen und dem andern Orte zu Hause sind oder dort ihre Bildung
empfangen haben. während natürlich der heutige Wcchselaustausch der
künstlerischen Richtung bei der individuellen Freiheit des Schaifcns man-
cherlei Ausnahmen zur Folge haben musste.
In Berlin also, wie ich die Sache auffasse, herrscht die classische
Richtung der Landschaft vor. Zur Bezeichnung derselben mögen unter
den Bildern .der Ausstellung zunächst ein Paar italienische Landschaften
V0" E- Aärlcßla, einem in Rom lebenden Berliner, genannt werden, die
sich, ohne besonders hervorragende Eigenthümlichkeit, der Art und Weise,
wie besonders Catel aus Berlin diese Richtung aus- und den jüngeren
Künstlern vorgebildet hatte, anschliessen. Hauptvcrtreter derselben in
Berlin war bisher W. Schirmer. Der Katalog führt auch diesmal ver-
schiedene Bilder italienischen Lokals von ihm auf; doch habe ich davon
nur eins aufgefunden, eine Ansicht der Fontana di Trevi zu Rom, die
einen etwas äusscrlich conventionellen Eindruck macht. Schirmefs Stelle
wird für die gegenwärtige Ausstellung durch seinen ehemaligen Schüler
Behrendsen, der als Lehrer an die ncuerrichtete Königsberger Akademie
gegangen ist, eingenommen. Ein kleineres Bild von Behrendsen, eine
Partie am Hallstädter See, zeichnet sich durch eigenthümlich feine. vor-
nehme Behandlung aus. Ein grösseres Bild, "Gegend bei Conegliano am
südlichen Abhange der venctianischen Alpen", eröifnet uns einen Blick
über ein grossartig bewegtes 'l'erra.in, bis zum Busen des Meeres und
fernen Gebirgszügen, Alles übergossen und durchleuchtet von dem Glanz
der Frühsonne, und von wundersamem Farbenschimmer in den Gründen
erfüllt. Es ist ein Bild höchster landschaftlicher Pracht, die mit sicherer
Herrschaft über die Darstellungsmittel uns vorgelegt wird. Doch dünkt cs
mich, dass der Künstler in dem Zusammenstellen brillanter und effekt-
voller Gegensätze schon um einen Schritt zu weit gegangen ist; ich meine,
ein mehr abgewogenes Maass hierin würde der harmonischen Gesammt-
Wirkung nur förderlich gewesen sein. Jedenfalls steht er hier schon m,
der iiusserstcn Grenze der eingeschlagenen Richtung. Licbrigens aber mag