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scher Styl, den wir bei lngres finden, d. h. ein gewisses kühl rationalistisches
Princip, von dem man wohl sagen kann, dass es schon büi POHSSiII Sehr
lebhaft zur Geltung gekommen war. DieseKühlheit sehen wir denn auch
in der Boutcrweek'schen Arbeit vor uns, zumal in der Hauptgruppe, welche
uns desshalb trotz der sorgfältigen Durchbildung nicht völlig anmuthen
will, während sie in den Nelienfiguren, dem Gefolge des Kämmerers, zu
einer eigenthümlichen Frische und Helligkeit des Charakters (ich meine
besonders: des sittlichen Charakters, in dem wir selbst eine Annäherung
an griechische Naivetät und Bestimmtheit (indem) siehsteigert. KVesent-
lieh verschieden hievon sind zwei Bilder von Martersteig aus Weimar,
der, früher in Düsseldorf gebildet, seine späteren Studien, soviel ich
weiss, unter Delaroche in Paris gemacht und sich dort bis jetzt aufgehal-
ten hat. Martersteig ist aber nicht bei der Richtung Delaroche's stehen
geblieben und überhaupt nicht alsßein irgend einseitiger Anhänger der
Franzosen zu betrachten; er hat sieh vielmehr wenigstens sagen das
seine neusten Bilder, die sich auf der Ausstellung befinden die tüch-
tigen Coloristen unter den Franzosen den Weg zu den Venetianern weisen
lassen und sucht von dem Grunde aus, auf welchem die letzteren stehen,
das Leben zu erfassen. Es sind zwei Bilder von ziemlich bedeutendem
länglichem Format, beide sehr ligurenreich. Das eine (mit dem Daturn
1847) hat den Reichstag zu Worms und zwar die Rede Luthers vor dem
Kaiser und den versammelten Reiehsfürsten, das andre (1848 bezeichnet)
das Concil zu Constanz, und zwar den Moment, wo der Geleitbrief, den
I-Iuss erhalten hatte, von der empörten Priesterschaft zerrissen wird, zum
Gegenstande. Beides sind Darstellungen von Versammlungen bedeutender
Persönlichkeiten, die erste ruhiger, mit sicherm Einhalten des Cercmoniels
und der Etikette, die zweite unruhiger und leidenschaftlicher bewegt,
Bei beiden Bildern kam es darauf an, theils die einzelnen Persönlichkei-
ten scharf und charakteristisch zu bezeichnen, theils ihre Vereinigung
durch malerische Totalwirkung, je nach den Gesetzen beider Compositio-
neu (der ruhigen und der bewegten Versammlung) auch im künstlerischen
Sinne hervortreten zu lassen. Der Künstler hat das Wesentliche dieser
Erfordernisse im Allgemeinen vortrefflich erreicht. Ueberall ist das Indi-
viduelle bis in seine einzelnen Besonderheiten empfunden und auf markige
Weise ausgeprägt, überall erscheint es zugleich als Theil eines grösseren
Ganzen, je nachdem dasselbe einerseits in fester Gebundenheit, andrerseits
in der Zerstreuung in einer Reihe von Gruppen seihe Geltung hat. Die
ganze malerische Behandlung bewegt sich, wie schon angedeutet, in der-
jenigen Richtung, welche in der Blüthezeit der venetianischen Schule ihren
Ausdruck gefunden hat; es sind dieselben vollen, tiefen, aushaltenden
Töne, derselbe Schimmer eines lichten Helldunkels, dasselbe stylistische
Bewusstsein, das die Freiheit des Individuellen in dem Rhythmus des
Ganzen so glücklich zu wahren weiss und daher das sicherste Fundament
zu einer eigentlichen Geschichtsmalerei bildet. Ich musste nur bedauern,
dass der Luther auf dem einen Bilde körperlich nicht sicher genug und
geistig nicht bedeutend genug erscheint, und dass das Streben nach prä-
gnanter Individualisirung auf dem Bilde des Huss zu einer Anzahl ver-
wunderlicherPhysiognomieen geführt hat, die ein wenig nach künstlerischem
Eigenwillen schmecken; hier mag eine wirkliche Klippe für den Künstler
liegen; wenigstens entsinne ich mich eines grossen Bildes aus der Ge-
schichte des Herzogs Bernhard von Weimar, das er vor mehreren Jahren