U74
Berichte,
Kritiken,
irternngen
44115107109. aus dem Herzen gesprochenes Wort, dazu gehen wir in die
llütten der Armen, dazu verbinden wir uns in Vereinen, die kleinen
Mittel des Einzelnen zur grösseren Gcsammtwirknng zusammenzutragen;
dazu brauchen wir keine Bilder, und thöricht wäre es, unser Geld, das
für die Armen bestimmt ist, für solche Darstellungen hinzuwerfen. Wir
sind hier übrigens bei dem äussersten Extrem des Realismus in der Kunst
angelangt, und wir finden, dass er in solcher Anwendung wieder auf dem
schönsten Wege ist, ausserkünstlerisehen Zwecken ebenso gehorsam zu
dienen, wie es jene conventionelle Symbolik in ihrer Weise thut. Ein
nicht geringes, obgleich minder entwickeltes Talent unter den Berlinern,
das ich im Vorigen anzuführeu vergessen, L. Bendix, liebt auch diese
Sorte von Tcndenzmalerei und hat zu der diesjährigen Ausstellung eben-
falls eine Auspfändung geliefert.
Hieran reiht sich ein Bild von G. Flüggen in München. das jedoch
den tendenziösen Charakter zu einer höheren, poetisch-dramatischen Ent-
wickelung zu steigern sucht. Es ist die Darstellung der Jesuiten als
Erbschleicher, die Ihnen aus einem ausführlichen Berichte des Kunstblat-
tes schon bekannt sein wird. Dieser Bericht macht eine nähere Schil-
derung meinerseits überflüssig. Doch bin ich leider genöthigt, die am
Schlüsse desselben enthaltene Prophezeihung, dass das Bild auf der hie-
sigen Ausstellung zuverlässig eine grosse Bewegung verursachen werde,
als nicht eingetroffen zu bezeichnen. Man hat hier wohl das Geistreiche der
Composition anerkannt, wäre indess durch eine andre Durchführung mehr
befriedigt gewesen. Schon das wollte nicht ganz gefallen, dass, während
Engen Sue in seinem ewigen Juden doch nur einen Pater Rodin ge-
zeichnet und neben demselben zugleich sehr abweichende Ideale jesuiti-
scher Meisterschaft aufgestellt hat, hier nebeneinander und nur durch
geringe Modificationen verschieden, drei Rodins erscheinen. Dann ver-
misste man die eigentliche malerische Durehbildnng, die man allenfalls
in den Nebendingen gelten liess, während man in den Hauptsachen, in
den Personen und zumal in der C-arnation, mehr das trockene Farbenma-
terial als lebende Erscheinungen in Luft und Lieht vor sich sah.
Ich erwähne dabei zugleich noch ein Paar andrer Bilder, die aus
München zu uns gekommen sind und die ichnicht füglich übergehen
darf: ein Sauber gemaltes Bild von Lotze, ein TyrolerHirtenmädchen
mit ihrer Heerde; ein Bild von A. Adam, Pferde und getödtetes Wild
vor einem Jagdschlosse, das, wie der Name des Künstlers nicht anders
erwarten liess, in den Thieren vortrefflich, aber von etwas nüchterner
Gesammtwirkung ist; und ein Paar Bilder aus dem italienischen Volks-
leben von J. A. Klein, der uns indess in seinen bekannten Radirungen
ungleich lieber ist, als in seinen, alles malerischen Tones entbehrenden
Gemälden.
Schliesslich habe ich Ihnen hier, für diese Uebersicht der deutschen
Leistungen in figürlicher Darstellung, noch einige Gemälde zn nennen,
die uns aus dem Auslands, aber ebenfalls von deutschen Künstlern, zuge-
sandt Sind. Dahin gehören zunächst zwei merkwürdige Gemälde von in
Rom lebenden Künstlerinnen. Das eine, "eine unbeklcidete weibliche
Figur in Weinreben", wie der Katalog sagt, rührt von Frau Steinhäu-
ser (ich glaube, der Frau des Bildhauers) herß Der leicht dekorirte
1848.