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Berichte,
Kritiken
Erörterungen
jene diktatorische Regel einer sogenannten Symmetrie bemerkbar wird, die
un s gewöhnlich um alle Grazie und Anmuth bringen. Es ist die Woh-
nung des Gärtners, zwei Häuschen mit einem kleinen Thurm als Belvedere,
mit Lanbgängen umgeben und durch dieselben verbunden.
Zunächst traten wir in den Hofraum zwischen den beiden Gebäuden.
Hier bildet sich eine erhöhte Laube, die von Säulen und einer mächtigen
Herme in altattischem Styl getragen wird und mit antiken Vasen und
Fragmenten antiker Architektur und Seulptur dekorirt ist: in der Um-
gebung von grünen Büschen und Blumen versteht man den Sinn der An-
tike besser als in kalten Museen. An der Rückwand der Laube, wo jetzt
verschiedene Vasen stehen, soll ein Relief von Rauch in 'l'erracotta, eine
Baßßhanfill dafstßllelld, angebracht werden, und zu dessen Seiten zwei
Löwenköpfe, die aus ihren Mäulern rothen und weissen Wein ergiessen.
Seitwärts springt ein Wasserstrahl in einen antiken, mit Centauren ge-
schmückten Sarkophag, und aus diesem weiter in die Blumen; in der Mitte
des Eches, der in der Laube steht, ist ein Becken, mit beweglich mur-
mein em Wasser gefüllt, das ein lebendigeres, eigenthümlicheres Accom-
pagnement der Conversation bilden dürfte, als die bei den Novellenschrei-
berinnen allgemein beliebte Theemasehine. Nach hinten, durch ein dichtes
blühendes Hortensiengebüsch von der Laube getrennt, schliesst eine unbe-
deckte steinerne Treppe den Hof ab; sie führt erst nach dem Häuschen
zur Linken und dann hinüber zu dem Belvedere; es war anmuthig zu
sehen, wie die Treppe sich belebte und die Gestalten durch das Grün der
Lauben hier und dort hervorblickten. Aus dem Thurm kommt man, über
das [lache Dach einer zierlichen Lege, in die oberen Zimmer des zweiten
Gebäudes, die, für die eigne Benutzung des erhabenen Besitzers bestimmt,
einfach, aber geschmackvoll dekorirt sind. Ein andres Treppchen führt von
dem Thurm in einen zweiten grösseren Hof hinab, in dessen Mitte, von
zierlichen Blumenbeeten umgeben, ein Wasserstrahl hoch emporsteigt. Ein
von Pfeilern getragener Weingang führt hier von dem Belvedere zu einem
kleinen Pavillon, dessen Portikus auf bezeichnende Weise aus viereckigen
Pfeilern gebildet wird; im Innern des Pavillons ist die hintere Wand, in
ihrer ganzen Ausdehnung, durch ein grosses, von Blechen gemaltes Bild
des wundervoll gelegenen Tegernsee geschmückt. Dem Pavillon gegenüber
zieht sich eine geräumige Arkade hin, die zur Aufnahme plastischer Werke
bestimmt ist. Sie stösst an einen breiten, mit grünen und rothen Schling-
pflanzen überwölbten Kanal, welcher sich seitwärts zu einem kleinen See
erweitert; am Ufer des letzteren, in einer Nische, steht eine liebliche
Bronzegruppe, ein Knabe, der auf einem Delphin reitet, nach Schinkels
Zeichnung modellirt; der Delphin spritzt Wasserstrahleu in den See.
Wie die innere Einrichtung dieser Wohnungen ebenso behaglich wie
anmuthig, das Zusammenfügen derselben und die Verbindung zwischen den
einzelnen Theilen ebenso bequem, wie scheinbar rücksichtslos in Bezug
auf äussere Erscheinung ist, so geben sie von allen Punkten aus, bald im
Wasser sich spiegelnd, bald durch Gebüsche halb Versteckt, das reizendste
Bild, wie es der Pinsel eines in Italien gebildeten Landschafters nur er-
finden kann. Es ist ein eigentlich plastisches Kunstwerk in grösserem
Maassstabe, ein architektonisch-Landsehaftliehes Idyll.
Mehrere Stunden waren unbemerkt unter dem Betrachten des Einzel-
nen, unter dem Aufsuchen der Ansichten und Durchsichten hingegangen.
Wir mussten uns von diesem liebgewordnen Orte trennen, wenn wir noch