Berliner Briefe.
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Das zu hören,
War Desdemona eifrig stets geneigt:
Oft aber rief ein Ilansgeschäft sie ab;
Und immer, wenn sie eiligst dies vollbracht,
Gleich kam sie wieder, und mit dürst'gem Ohr
Verschlang sie meine Rede. Dies bemerkend,
Ersah ich einst die günsfge Stund' und gab
Ihr Anlass, dass sie mich recht herzlich bat,
Die ganze Pilgerschaft ihr zu erzählen.
Von der sie stüekweis Einzelnes gehört,
Doch nicht mit rechter Folge. Ich begann;
Und oftmals hatt' ich Thränen ihr entlockt,
Wenn ich ein leidvoll Ahenteur berichtet
Aus meiner Jugend. Als ich nun geendigt,
Gab sie zum Lohn mir eine Welt von Seufzern.
Sie liebte mich, weil ich Gefahr bestand;
[eh liebte sie um ihres Mitleids willen etc.
Othello, wie bemerkt, erscheint in lebhafter Bewegung, doch spricht
er nicht besonders an, wenigstens hat seine Geberde etwas von theatrali-
scher Leidenschaft, die gerade hier nicht liergehört. Brabantio ist ein
feiner, aristokratiseh-vornehrner Kopf. Bei weitem das Wesentlichste im
Bilde ist der Kopf der Desdemona. Zur vollen Schönheit entfaltet, zeigt
er die wechselnden Gefühle, die ihr Inneres durchwogen; das Blut ist ihr
im Schauer der Theilnahme zum Herzen" zurückgetreten, ihr Athem scheint
zu stocken, aber das Auge. in dem eine Thräne vordringen möchte. ist
mit innigster Theilnahme auf den Erzähler geheftet. Es ist der Augen-
blick, wo aus dem Kampf der Gefühle das Bewusstsein der Liebe hervor-
springen wird. Hildebrandt hat mit diesem Kopfe in der That ein psy-
chologisches Meisterwerk geliefert, eins der ergreifendsten Beispiele von
dem Ausdruck tiefer innerer Seelenzustände, dazu die moderne Kunst sich
überhaupt nur emporgeschwungen. Aber sein Bild zeigt zugleich die ge-
fahrvolle Klippe, welche der Kunst drohen muss, sobald alles Gewicht
absichtlich nur auf die eine Seite gelegt wird. Er hat sein künstlerisches
Interesse in so überwiegendem Maasse der Lösung dieses, ob an sich
auch höchst reizvollen Räthsels zugewandt, dass sein Auge für die wei-
teren Bedinguisse seiner Aufgabe abgestumpft sein musste. Das Bild ist
(bis auf die Stellung des Mohren) vortrefflich und bequem componirt, der
Charakter des Stoftlichen ist in den besonderen Motiven gut wiederge-
geben, das Helldnnkel ist mit Zartheit und feinem Verständniss durch-
geführt, und doch fehlt dem Ganzen überall volles markiges Leben, doch
sind es eigentlich nur mehr Symbole von Gestalten als die Gestalten selbst.
Es hat auch hier die Idee des Bildes, obschon sie nicht mehr in zufälliger
und urillkürlicher Symbolik besteht, noch nicht den dauerbaren Körper
gewonnen, der uns auf die Dauer festzuhalten vermag. Das Bild scheint
mir für die Vorzüge und für die Mängel der Düsseldorfer Schule we-
nigstens in denjenigen Beziehungen, die derselben eine so charakteristische
Eigenthümlichkeit gegeben hatten ein vorzüglich bezeichnendes Beispiel
zu sein. Mir ist, als sei es zugleich ein Scheidegruss der alten Richtung
dieser Schule, und so will ich, in dankbarer Erinnerung au so viel Sqhü-