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Berichte,
Kritiken, Erörterungen.
wirklich kleinen oder grossen Aufgaben giebt, dass Kleinheit und Grösse
vielmehr nur in dem Künstler liegen. Es sind die schlichtesten Zustände
norddeutschen, zumeist bäuerlichen Volkslebens, die er uns in seinen Bil-
dern verführt heitres Familiendasein, wo das Spiel der Kinder den
Mittelpunkt ausmacht, Kätzchen, Hunde oder Ziegen, die sich demselben
traulieh zugesellen, die kleinen Freuden, Sorgen und Kümmernisse. die
diesen einfach gezogenen Gesichtskreis bewegen und doch weiss er uns
die innigste, herzlichste Theilnahme dafür abzugewinnen. Es ist nichts,
durchaus nichts in diesen Zuständen idealisirt; aber Meyerheim hat den
Blick für das inncrste llcrz des Volkslebens, für die Sittlichkeit und U11-
schuld, die dasselbe gesund und schön machen. Er verschönert nichts,
aber er ist überall schön; er opfert keinen Hauch der volksthümlichen
Naivetät, aber er ist durch und durch von Grazie und Anmuth erfüllt.
Und wie die Körpcrbildung seiner Gestalten, so ist was hier zwar bei-
läufig erscheint. worauf ich aber doch ein grosses Gewicht legen möchte
auch seine Gewandung überall in edelster Form entwickelt; er hat eben
den Blick für den eigenthümlichen Adel der Natur und er schwingt sich
daher aus den scheinbar unbedeutendsten Motiven zu einer Höhe des
Styles auf, die ihr mit all euren Stylprincipien, mit all eurem gelehrten
und wohl ausgeklügelten Schematismus von Faltenwurf u. dergl. nimmer
zu erreichen im Stande seid. Er bildet seine Aufgaben mit der hinge-
bendsten. nimmer rastenden Liebe durch, die auch den geringsten Neben-
dingen einen vollkommenen Antheil gewährt, und er erreicht es damit,
dass auch uns aus seinen Bildern dieselbe Liebe entgegentritt und wir
uns von ihnen mit allem Zauber heimatlicher Innigkeit gefesselt füh-
len. Er versteht sich meisterhaft, und ganz besonders, wenn er das In-
nere der ländlichen Wohnungen malt, aufjencn Reiz malerischer Harmo-
nie, dem dies kleine Dasein seine volle Befriedigung und Geschlossenheit
verdankt. Soll ich endlich bei einem Künstler, den ich so sehr bewun-
dere, auch noch einen Tadel aussprechen, so möchte ich nur bemerken,
dass der Ton seiner Farbe mir zumeist um ein Vfeniges zu kühl erscheint,
aber gerade auch nur um soviel, dass mit Zuversicht zu erwarten ist, die-
ser Mangel werde in dreissig Jahren, wenn der Firniss der Bilder sein
Recht ausgeübt hat, von selbst völlig verschwunden sein. Mcyerhein;
verdankt seine Entwickelung keiner Förderung von ausserhalb, keiner
höheren Protection. Er besitzt nichts von dem Apparat ausserkünstleri-
scher poetischer Interessen und philosophischer Ideen, mit dem sich sonst
Mancher nach Möglichkeit ausrüstet. Er selbst hat mit treuem Ernst die
Gottesgabe, die ihm verliehen ward, ausgebildet, und er wird bleiben,
wenn Vieles verschollen und vergessen ist, was heut zu Tage noch als
Zeichen einer neuen, ausbündigen Offenbarung verehrt wird.
Von der Bildnissmalerei, der „milchenden Kuh" für die Künstler,
habe ich, wie schon bemerkt, trotz der grossen Menge ihrer Leistungen,
nicht viel zu sprechen. Doch ist es nöthig, einige Bildnisse, die dem
höheren, selbständig künstlerischen Streben der hiesigen Meister angehö-
ren, namhaft zu machen. So hat die Ausstellung, wie es seit Jahren der
Fall zu sein pflegte, verschiedene Portraits von Personen der höheren
Gesellschaft, von Fr. Krügers Hand, in der vornehm bequemßll, fass-
lichen, sprechenden Weise, die seinen Leistungen überall eigen ist. Begas
hat ein Bildniss des würdigen alten Akademiedirektors Schadow geliefert,
das durch den geistvollcn, fein belebten Kopf ebenso wie durch die sorg-