Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

dcrn, ein gütiges Schicksal Beruf und Kraft gegeben hat!  Ein dritter- 
ehemaliger Stipendiat der Akademie, C. Becker, der gleichfalls aus Ita- 
lien wieder heirngekehrt ist, hat uns verschiedene idyllische Bilder, theils 
volksthümlichen, theils mythologisch-idealen Inhaltes gebracht und mit 
ihnen den erfreulichen Beweis geliefert, dass auch ein miissiges 'J'alen1; 
bei redlichem Streben Wohlgefälliges zu leisten vermag. 
Es ist ein eigen Ding mit den künstlerischen Talenten, zumal in 
neuerer Zeit. Es ist etwas unsäglich Schwankendcs in ihrer Entwicke- 
lung. Mit einem Sprung erreichen sie oft das Ausgezeichnete; wir stau- 
nen dieser treuen Offenbarung, und während wir noch darüber nachsinnexi, 
welche Folgerungen daraus für die Kunst zu entwickeln sind, verschwin- 
den sie ebenso schnell dem höheren Gesichtskreise, und andre sind an 
ihre Stelle getreten, die uns auch nicht allemal eine mehr gesicherte Bürg- 
schaft geben. E. Ratti war ein Künstler, der allerdings zwar nicht mit 
blendenden, aber doch mit solchen Leistungen auftrat, die immerhin be- 
deutende Erfolge erwarten Vliessen. Ich entsinne mich namentlich aus 
ziemlich früher Zeit des Bildes eines alten Dorfmusikanten, das er in ganz 
allerliebster WVeise aufgefasst und behandelt hatte Er hat diese Hotlnun- 
gen aber systematisch beseitigt. So befindet sich auf der gegenwärtigen 
Ausstellung von ihm ein grosses Bild, Maria lllagdalena am Grabe des 
Herrn, das alle Symptome künstlerischer Nullität an sich trägt, obgleich 
selbst über diese anspruchvolle Faulheit der wvehmüthige Hauch eines zwar 
untergegangenen, einst aber wirklich schönen Talentes noch immer hin- 
spielt. Ein Witzling in einer hiesigen Zeitung bemerkte, das Bild habe 
wenigstens den Vorzug, sofort in tingemessenster Weise betrachtet zu 
werde"; flenn da Jedermann sich nur nach dem gegenüber-hängenden 
gwßsell Bilde von Steffeck wende, so werde es stets nur mit dem 
Itücken angesehen. Dies Bild von Stelfeek ist in der That höchst erfreu- 
helm Stefteck war- uns schon seit einigen Jahren durch seine derben 
kraltlgen Genre- und namentlich durch seine Thierbilder werth geworden; 
jetZi hat "i W19 Eybßl auf der vorigen Ausstellung, einen höheren Anlauf 
genommen und ein grosses historisches Bild mit fröhlicher Meisterschaft 
zu Stande gebracht. Es stellt den brandenburgischen Markgrafen Albrecht 
Achilles dar, der kühnen Muthes in eine feindliche Reiterschaar hinein- 
gesprengt ist und ihnen, mit seiner Streilaxt gewaltige Streiche ansthei- 
lend, die Fahne entrcisst. Es ist eben kein welthistorischerMoment. wohl 
aber ein solcher, der zu einer individuell dramatischen Durchbildung alle 
Gelegenheit gab. Dies hat der Künstler vortrefflich empfunden und wie- 
derzugeben gewusst. Wir fühlen uns mitten in dem lebhaften Getümmel, 
wir werden von der übermüthigen Kriegslust des ritterlichen Fürsten mit 
hingerissen, wir theilen die Gefahr des rkngenblicks, aber wir sehen zu- 
gleich, wie das Ding gekommen ist und wie es sich ohne Zweifel wenden 
wird. Alles ist voll frischen, unmittelbar geschanteti Lebens, so dass von 
schwierigen Stellungen und Verkürzungen (denn die sind es nur für die 
halbe Kraft) überhaupt nicht dierltede sein kann; besonders in den Pfer- 
den zeigt sich eine verwegene Meisterschaft. Alles Einzelne ist so greif- 
lich hingestellt, wie das Ganze in malerischer Harmonie. Nur ist, wie es 
mir scheint, ein Etwas noch im Ton, das der Künstler zu überwinden 
hat: es fehlt in der Gesammtivirkung (wenn ich mich richtig ansdrücke) 
noch jene tiefere Pastosität, die die Existenz der Dinge wie im lufterfüll- 
len Raume doch eigentlich erst vollendet; die Malerei scheint mir hie,-
	        
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