l-äurichte,
Kritiken,
Erörterungen
zunächst daran angrenzenden Darstellungen sei jcdesmal der innigste gei-
stige Zusammenhang da, dass wir denselben aber keineswegs so klar vor
uns sehen und ihn gelegentlich nur in fast zufälligen Anspielungen finden,
gelegentlich aber auch sehr entschieden vermissen. Sie haben eben für
den Gedankengang des Ganzen, wie so vieles Andre dieser reichen bild-
liehen Cyklen, etwas Zufälliges, Unbestimmtes.
Ich würde Ihnen nicht diese lange Auseinandersetzung des Inhaltes
der Darstellungen vorgetragen haben, wäre nicht, wie bemerkt, von andern
Seiten und namentlich auch von dem Meister selbst. schon in diesem Be-
reiche der Ideen, die sie entwickeln sollen, ein eigenthümlicher Vorzug
gesucht worden. Ich muss sogar gestehen, ich halte das ganze Princip
für misslich und bedenklich. Die Kunst kann am Ende doch nur That-
sächliches darstellen, und es wird einzig darauf ankommen, ob das einzelne
Thatsächliche so gross gefasst und die Folgt-reihe desselben so folgerichtig
ist, dass sich uns darin unwillkürlich das Gesetz einer höheren Weltord-
nung darlegt. Ich kann, wenn ich nach alledem doch mein Haupt vor der
Meisterschaft dieser Compositionen beuge, auf sie auch nur das beliebte
Parceque und Quoique anwenden; sie haben ihre künstlerische Bedeutung,
nicht weil sie, sondern obgleich sie als eine philosophische Doctor-Dis-
sertation gelten sollen.
Blicken wir nun näher auf das eigentlich Künstlerische dieser Ent-
würfe, so ist es wahrhaft wunderwürtiig, wie dieselbe I-land, die in den
vorhin besprochenen Entwürfen zum Tasso sich in willkürlichem Wider-
spruch gegen alle natürlichen Gesetze und Bedingungen bewegte, hier
durchgängig von derjenigen Ehrfurcht für Natur und Leben und den wei-
ten Umkreis ihrer Erscheinungen beseelt erscheint, ohne die alles künst-
lerische Wollen nichtig ist, und wie hier (z. B. gerade in den Gewandungen)
diejenige Höhe eines reinen und freien Styles erreicht ist, durch die Natur
und Leben, gleich fern von willkürlicher Zerfahrenheit und von willlsür-
licher Strenge, in maassvoll harmonischer Weise gehoben und geläutert
erscheinen, soweit dies eben bei solchen, verhiiltnissmässig kleinen
Umrissdarstellungen anzudeuten ist. Nur zufällige Einzelheiten lassen ein
augenblickliches Vergessen der natürlichen Bedingnisse erkennen, wie
z. B. in der allzu langen Figur der heil. Jungfrau auf der Darstellung der
Anbetung der Könige, die überhaupt wohl die am wenigsten gelungene
Composition ist; oder wie in der ganz unmöglichen Lage des jungen Hir-
ten auf dem Pfingslbilde, unterwärts in der Mitte der Stufen, oder in der
Lage einer der "thörichten Jungfrauen", die wie auf elastischen Polstern
schwebend gestreckt ist und in der That doch auf der sehr harten Kante
einer Steinstufe liegt. Jc mehr man sich in den plastischen Rhythmus der
Composition, in die energische und ausdrucksvolle Lösung der jedesma-
ligen Aufgabe hineinsieht, um so mehr lernt man dergleichen übersehen,
um so vertrauter wird man mit der allerdings eigenthümlichen Formen-
sprache, die Cornelius ebenso wie jeder andre selbstschaffeirde Künstler
besitzt. Es ist schwer, über diese Vorzüge der Entwürfe, eben weil sie
dem Eigensten der Kunst (im Gegensatz gegen etwaige poetische oder phi-
losophische Liebhabereien der Kunst) angehören, anschaulich mit Worten
zu sprechen. So sind zunächst die Scenen der biblischen Geschichte
durchweg von derjenigen vollen und grossen Realität getragen. die allein
das Ideelle zum Ausdruck bringen kann. Die wirksamste Frische, Bedeu-
tung und Originalität scheint mir besonders in den Bildern der ersten