Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

Berliner 
Briefe. 
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Das Schiff des Preussenkönigs, in antiken Fornien phantastisch geschmückt 
und verziert, giebt zugleich den treibenden Kräften des Dnmpfschiffes eine 
wundersam mälirchenhafte Existenz. Ein Feuerdämon ist an seinen Bei-d 
gefesselt und theilt mit gewaltigem Arm die Wogen; ein Candelaber ist 
mit dem grotesken Kopfe eines liVinddäinuns, der mit Macht den Dampf 
ausstösst, gekrönt. Der König sitzt inmitten des Schiffes in weitem, mu- 
schelgcschmücktem Pilgermantel, init Pilgcrstab und Pilgerhut, welcher 
letztere oberwärts als Krönclien ansgezaekt ist. Drei andre Personen auf 
dem Schitfe tragen, wie der König, Portraitzüge; der Text nennt sie uns 
als Alexander v. Humboldt, General v. Natzmer und Graf v. Stolberg. 
Was haben Sie, mein Freund? was legen Sie mir die Hand auf das 
Papier? Bezweifeln Sie es, dass ich, der ich überall in der Kunstwelt zu 
kritteln und zu mäkeln finde, von den Schönheiten dieses Werkes mit 
Ueberzeiigiing gesprochen habe?  Freilich! es ist noch ein Punkt, über 
den Sie Auskunft verlangen. Sie meinen, jene biblischen Darstellungen 
hätten doch die grössten Momente der Geschichte des menschlichen Ge- 
schlechtes, deren die Vorwelt schnsuehtsvoll geharrt hatte und auf denen 
der Bau der Nachwelt errichtet ist, zum Gegenstands. Sie fragen, welch 
ein neues nclthistorischcs Ereigniss es sei, das hier jenen Scencn in gleich- 
berechtigter künstlerischer Ausdehnung gcgenübergeführt wird, welche Be- 
deutung für die Völker der Erde jener wundersame Wasscrzug des pil- 
gernden Kiiniges habe, der hier geradehin wie ein Gcgenbild des Zuges des 
Welteiierlösers, mit dem die Darstellungen beginnen, erscheint?  Ich bin 
nicht berufen, Ihnen hierauf Antwort zu geben; fragen Sie den Künstler! 
Ich habe schliesslich nur noch hinzuzufügen, dass die technische Ausfüh- 
rung des Schildes von Seiten der verschiedenen Künstler, welche man dazu 
in Anspruch genommen, vorzüglich gelungen war, 
Der eigentliche Zweck, der sich an Cornelius' Anwesenheit in Berlin 
knüpft, bßllcllt sich, wie Sie wissen, auf die bildlichen Ansschmückungeii, 
mit Q6118" der Calllllo SRMO, die fürstliche Begräbnisshalle neben dem 
künftigen neuen Reichsdoine, versehen werden soll. Cornelius hat sämnit- 
lichc Coinpositienen dazu bereits entworfen niid es sind auch sie kürzlich 
im [imrisssticlie (dem Vernehmen nach von Thäter) erschienen. l) Cor- 
iielins hat hierin ein ungemein reiches liVcrk geliefert; der den Stichen 
beigcgebene erläuternde Text bezeichnet es geradchin als das umfassendste 
Werk seiner schöpferischen Thätigkeit. Mit vollster Hingebung spreche 
ich es aus, wie es auch schon von so mancher andern Seite geschehen, 
dass der Meister in diesen Entwürfen wieder ganz auf der Höhe seiner 
Kunst steht, wenigstens was die Coinposition an sich und diejenigen Ele- 
mente derselben, die in der kleinen Umrisszcichnung ersichtlich werden, 
betrifft. Es ist eine Grüsse und Energie in diesen Darstellungen, die der 
Gi-undrichtung entspricht, welche ihm von früh an eigen war, die aber 
hier das Gewaltsaine und Uebertriebene, was in seinen früheren Werken 
oft störend entgegentritt, zumeist sehr glücklich überwunden hat. Es ist 
eine Sicherheit und charaktervolle Bestimmtheit darin, die jeder Scene 
eine Wirkung von schlagend dramatischer Kraft giebt. Es verbindet sich 
damit, trotz des Skizzenhaften der Behandlung, ein sehr edles stylisti- 
I) Entwürfe zu den Fresken der Friedhofshalle zu Belflfrl, von Dr, Peter 
v. Cornelius. Leipzig, 1848, Georg Wigands Verlag. Eln Bogen 'l'ext und 
ll Kupferblätter in grösstam Querfolio.
	        
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