Berl i n er
Briefe.
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bis jetzt zu keinen, die Kunst fördernden Resultaten gediehen. Der
Lipmandsche Oelfarbendruck, die Furchawschen elastischen Radirungs-
platten, die in beliebiger Grösse höchst wohlfeil herzustellen sein sollten,
haben viel von sich sprechen machen und sind verschollen. Aehnlich
andre Erfindungen. In der Lavamalerei ist, wie ich höre, umständlich
laborirt worden, aber noch kein Zcugniss dieser Kunst an die Oelfentlich-
keit getreten. Die Glasmalerei hat das Letztere freilich gewagt, aber nicht
eben zum Stolze Berlins. Wir haben hier eine, dem Vernehmen nach
wohl snhventionirte Anstalt für diese Knnsttechnik; die Leistungen
grosse Arbeiten für Kirchenfenster mit denen sie, ziemlich zuversicht-
lich und in den Zeitungen wohlbelobt, auftrat, traben die wirklichen
Kunstfreunde mit schreckhaftem Bedauern erfüllt. Es ist aber allzu
unerfreulich, bei diesen Dingen, die den Keim der Nichtexistenz ohnehin
in sich tragen, zu verweilen. Nächstens von andern Sachen mehr.
Gestehen Sie es, Verehrtester, Sie haben es bewundert, wie reichlich
die lang aufgestaute Tinte in meinem vorigen Briefe geströmt ist. Sie
sind aber vielleicht nicht ganz ohne Besorgniss vor der Gefahr einer Ueber-
schwemmung, und Sie rathen mir wohlmeinenden Sinnes, die Schleuse bei
Zeiten wieder zu sehliessen. Aufrichtig gestanden, und wüsste ich den:
losgelassenen Strome irgend entgegen zu arbeiten, so möchte ich Ihren
llatln befolgen und meine Confessionen über die hiesigen Kunstzustände
lnemit abgethan sein lassen, zumal wenn ich das schwierige Kapitel er-
wage. daS IIllr Jetzt bevorsteht. Es gilt über einen Mann von grossem
deutschem Oder vielmehr europäischem Renommee zu sprechen, den Berlin
jetzt zu den Seinen zählt, der aber bis jetzt so wenig zu Berlin, wie Berlin
zu ihm, eine rechte Stellung gewonnen hat. Es gilt, einen Cornelius
in Berliner Briefen zu behandeln. Schon bei diesem Wort sehe ich gar
manche ihrer süddeutschen Freunde sich mit Unwillen abwenden. Berlin,
dies Symbol von Hochmuth und Selbstgefälligkeit, Berlin, das seinen
Schinkel nicht einmal verstanden, Berlin, das es nur zu seinen schlechten
„Witzen" und höchstens zu einer Hegelschen Philosophie gebracht hat,
will es sich anmaassen, über einen Meister ein Urtheil zu fällen, der nur
mit Entäusserung aller Subjectivität aufgefasst, nur mit voller Hingabe der
Kräfte des Gemilthes begriffen werden kann! Es mag immerhin so sein.
Aber Cornelius ist einmal in-Berlin, er hat den Ruf hieher angenommen,
er hat für uns zu schaifen angefangen, ich glaube, es hat also auch die
Stimme des Berl-iners ein Recht, über ihn gehört zu werden.
Diejenige persönliche Pietät, die wir für einen Mann empfinden, an
den wir bei langjährigem Zusammenwirken durch die verschiedenartigsten
Bande geknüpft sind, eine Pietät, wie sie für Cornelius in München noch
bewahrt werden mag, können wir für ihn hier natürlich nicht haben. Es
würde unsrer Auffassungsweise einen ziemlich servilen Beisehmack geben,
wollten wir bei ihm auf Andres als auf den berühmten Namen und na-
mentlich auf seine Leistungen besondere Rücksicht nehmen. Auch hat es
sich Corni-lius nicht eben angelegen sein lassen, seinerseits zu uns in ein